Spirituelle Wege
Es gab da Tage, da hetzte Jürgen Schmieder im Rahmen seines durchaus ernst
gemeinten Selbstversuches von einer spirituellen Aktivität (oder Regel, oder
Vorschrift) zur nächsten, quer durch die Religionen dieser Welt. Gut zunächst,
dass Schmieder zum damaligen Zeitpunkt dann bereits wusste, was die einzelnen
Heilswege von ihm erwarteten an Verrichtungen und inneren Haltungen. Diese hatte
er in den Jahren zuvor ja intensiv kennengelernt.
Daher ist das Buch auch keine distanzierte Reportage oder ein Sachbuch über die
aktuellen Weltreligionen, sondern ein sehr persönlich gehaltenes, warmherzig
geschriebenes, mit Humor versehenes, dabei aber nie in die Gefahr einer
Persiflage geratenes Zeugnis einer ganz persönlichen Sinnsuche. Bei der
Schmieder von einer einfachen Leitfrage ausging, so einfach, dass sie, ernst
gemeint, nur interessante Ergebnisse hervorbringen konnte. "Ich will, dass
Gott mich mag" (Jeder Gott!). Und das ist nicht einfach. Nach den Regeln
der diversen Religionen zumindest, denn Fehler, Sünden, Abweichungen sind fast
zwangsläufig im Raum.
Und dies allein schon im Blick auf nur die "großen" Religionen.
Schmieder macht auf seiner Suche aber auch Station bei anderen. Das Buch beginnt
bereits mit einem Paukenschlag, einem philippinischen Exorzismus in der
Heimatgemeinde des Autors, die durchaus solch eigene Wege des Katholizismus
geht, dass eher von einer Sekte gesprochen werden. Aber geben die
Heilungswunder, selbst in der eigenen Familie Schmieders (der Schweigervater)
dieser kleinen Glaubensgemeinschaft nicht recht? Vor allem dann, wenn Schmieder
dem geneigten Leser nahelegt, "darüber nachzudenken, ob Sie sich selbst
bei realistischer und objektiver Einschätzung ihrer bisherigen Zeit auf Erden
eher für den Himmel oder für die Hölle qualifizieren würden?".
Von allen Göttern gemocht werden wollen heißt nun aber eben auch, nach den
Prinzipien aller Religionen zugleich zu leben.
Ein gigantisches Unterfangen, von dem Schmieder in bestem Stil und wunderbarer
Leichtigkeit der Sprache Zeugnis geben kann.
Nach seinem Gang durch die Vielfalt der religiösen Angebote und Heilswege
tauchen aber zum einen der bereits erwähnte "spirituelle Stress" auf
und zum andern eine solche Anzahl an Paradoxien und unmöglichen Erwartungen und
Forderungen (man beachte alleine schon den Speiseplan, nimmt man alle großen
Religionen gleichzeitig ernst!), dass Schmieder in seiner Frage nach Gott einen
ganz andren Schluss zieht.
"Was für ein bescheuertes Unterfangen", dass ist, was er als Schluß
aus tiefstem Herzen zu guter Letzt in den Raum setzt. Und mehr. Denn beileibe
ist kein Atheist aus ihm geworden
Jürgen Schmieder entwickelt sich zum "All-Theisten". Einer, der aus
allem, was geschieht aufmerksam seine Schlüsse zieht. Der Gott dort findet, wo
es ihm seine Seele sagt. Einer, der aus allen möglichen Weisungen sich jene
Regeln herausnimmt, die dafür sorgen, dass er nicht ständig von Weg seiner
spirituellen Reise abkommt.
Ein schöner Satz findet sich fast ganz am Ende des Buches, der in sich
zusammenfasst, was Schmieders Quintessenz ist: "Wer zu sehr damit
beschäftigt ist, Regeln und Riten einzuhalten, der könnte den Blick dafür
verlieren, was ihm wirklich wichtig ist".
Fazit
Ein Buch, dass von ganz persönlicher Seite aus den Blick für die vielfältigen
Wege der Religionen eröffnet, vieles an Informationen bereit hält, die manches
Mal kaum zu glauben sind und einen persönlichen Weg in den Raum stellt, der
aufatmen lassen kann angesichts der vielfach dogmatisch festgefahrenen und
strikten Weisungen der Religionen.
Nicht jeder muss Schmieders innere Schlüsse (dass EINE Religion eben nicht alle
Antworten in sich tragen kann) für sich nachvollziehen, aber beschäftigt haben
sollte man sich durchaus mit dem, was Schmieder an Erlebnissen und Erkenntnissen
mitzuteilen hat.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 06. Mai 2011 2011-05-06 10:56:04