Die zerrissenen Reiche 1. Band
Der oberste Vorarbeiter des Zwergenbundes, Gorid Seher, hat Probleme. Er
schmiedet in der Hauptstadt Zwerg die politische Zukunft und muss gleichzeitig
Entscheidungen treffen, die ihm bei der bevorstehenden Wahl seinen Job kosten
können. Er muss sich eingestehen, dass die Entwicklung des Zwergenreiches nicht
so läuft, wie er es gewollt hat und der Halbling Awoho bestätigt ihm, dass man
bereits vor fünf bis zehn Jahren einer kommenden Regression hätte entgegen
wirken müssen. Die Zwerge im Bund sind unzufrieden, daher ist der Ausgang der
anstehenden Wahl ungewiss. Für die eigenen Zwerge mangelt es an Arbeitsplätzen
und mit diesem Mangel auch an Geld für die Arbeitslosen. Seit dem
Zusammenschluss der bleichen Bergzwerge und den sonnengebräunten Seezwergen
ging es den Zwergen immer gut. Von der Hauptstadt Zwerg, dessen Name den
Zusammenschluss der Völker im Bund unterstreichen soll, gehen viele Einflüsse
im Norden der Welt aus. Wissenschaft und Kultur, Philosophie und Erfindungen
verteilen sich über den Bund. Die Einheit der Zwerge ist ein wichtiger
Bestandteil der Kultur und Menschen, Halblinge und ähnliche sind nicht
unbedingt gern gesehen. Vor allem weil die menschlichen Flüchtlinge den
Einheimischen die Arbeitsplätze wegnehmen. Als Hilfsvölker und Diener kann man
sie jedoch prima ausbeuten. Der Bund selbst entspricht einer Art Sozialismus.
Alle Zwerge sind gleich, doch wer sich irgendwie hervorhebt durch besondere
Leistungen, wird mit einem Bonus geehrt. Etwa wie Garep, der eine Kutsche sein
eigen nennen kann. Gleichzeitig entwickelt sich das Land weiter. Die beiden
Industriezweige mit der höchsten Entwicklung sind die Eisenbahn und die
Waffenschmieden. Letztere werden gerade sehr stark nachgefragt. Während die
beiden Wirtschaftszweige ihre Umsätze steigern, werden viele Zwerge arbeitslos
und müssen sich mit den menschlichen Flüchtlingen um Jobs streiten. Die
Menschen flohen vor den religiösen Gewalttätern, nur um im Reich der Zwerge
auf rassistisch motivierte Abneigung zu stossen. Während die frustrierten
Zwerge in den Menschen eine unliebsame Konkurrenz sehen, hat es das angenommene
Brudervolk, die Halblinge einfacher. Langsam aber sicher übernahmen sie nicht
nur als Diener des Staates die Verwaltung, sondern auch den Grossteil der
Sicherheitsaufgaben. Man könnte natürlich auch von einer völkischen
Unterwanderung sprechen, denn die Halblinge haben praktische den Bund unter
ihrer Kontrolle.
Zur gleichen Zeit wird der Sucher, gleichbedeutend mit einem Ermittler, Garep
Schmied, zu einem brutalen Mordfall gerufen. Da die Welt der Zwerge viel mit der
Musikkultur verbunden ist, wirkt der Mord an Namul Trotz, einem begnadeten, aber
sehr eigenbrötlerischen Komponisten besonders grausam. Man verdächtigt lange
den namenlos bleibenden Haushälter einen Menschen von einer Insel aus dem
Nordband. Er soll den Komponisten mit einer Flöte in den Rücken stechend,
umgebracht haben. Allerdings stellt sich schnell heraus, dass auch der Mensch
tot ist. Für den erfolgreichen Sucher Garep Schmied ergeben sich einige
Ungereimtheiten, die sein Gehilfe Bugeg immer wieder verwirft. Garep ist ein
guter und genauer Beobachter und ein Zwerg mit viel Zwergenkenntnis, die auch
Halblinge, Menschen und andere mit einschliesst. Nach dem Tod seiner geliebten
Frau Pinaki, die öfters in den Gesprächen zwischen Garep und Bugeg erwähnt
wird, hatte sich der Sucher in die Arbeit gestürzt. Daraus folgernd konnte er
Erfolge und damit verbundene Boni verbuchen. Es gibt viele Gründe, die den Mord
verursachten, erkennt Garep. Mord aus Leidenschaft, weil Zwerg und Mensch ein
Liebespaar waren? Oder ein rassistischer Hintergrund, wie ihn auch Bugeg, von
seinen Vorurteilen verblendet, in Ansätzen zeigt, weil ein Mensch und ein Zwerg
(wie abartig) miteinander Verkehr haben. Garep ist sich nicht sicher, was er von
diesem Mord halten soll. Aber vielleicht ist der Mensch auch nur dem wahren
Mörder hinterher gelaufen? Als jedoch ein weiterer Zwerg von einem Menschen
umgebracht wird, quasi vor den Augen des Gesetzes, und danach Selbstmord begeht,
wird Garep der Fall entzogen, was ihn nicht daran hindert, ihn auf eigene Faust
weiter zu verfolgen. Und bald wird aus dem Sucher ein Gejagter. Hinter den
Morden steckt mehr, als sich Garep ausmalte.
Wie üblich ist bei bekannten Opfern der politische Druck auf die Ermittler
sehr gross. Garep steht unter Druck, einen Mörder, zumindest einen
Verdächtigen, vorzuzeigen. Bugeg weist Garep jedoch daraufhin, dass der Mord an
Trotz nicht der erste war und es sich im Bund bereits weitere Morde ähnlichem
Zuschnitts ereigneten. Sucher Garep wird nach und nach in ein Ränkespiel
verwickelt, deren Verantwortliche er nicht ausmachen kann.
Siris ist Mensch und von Beruf Bestienjäger und furchtlos im Land unterwegs,
da für jedes erledigte Monstrum ein Kopfgeld ausgezahlt wird. Sein letzter
Fall, der Angriff auf einen Greif, läuft nicht so gut ab, wie er sich es
vorstellte, denn er erwischt ausgerechnet ein Weibchen, dass auf Futtersuche
für seine Jungen ist. Minuten später erscheint auch noch das Männchen. Die
einzige Waffe, die mächtig genug ist, ihm bei seinem Kampf zu helfen ist ein
Gewehr aus Zwergenproduktion. Die Gewehre stammen aus der Stadt Amboss. Dort
werden die besten Gewehre des Bundes hergestellt. Dafür benötigt man aber auch
Patronen aus der gleichen Quelle. Die Ausfuhr ist offiziell verboten und so
bleibt nur der Schmuggel. Es trifft sich gut für Siris, weil seine Schwester
Sira, die im Zwergenbund lebt, einen Schmuggler als Freund und Liebhaber hat.
Dieser soll in einer Kneipe auf Siris warten und ihm neue Patronen liefern.
Jarun, der ehemalige Liebhaber wie sich schnell herausstellt, weigert sich Siris
Patronen zu übergeben. Es kommt wie es kommen muss, es folgt ein gewalttätiger
Streit, den Jarun nicht überlebt.
In dem von Siris geführten Tagebuch kann der Leser mehr über den
Bestienjäger erfahren, wie auch über dessen Jagderfahrungen, mehr über die
Welt und hier lebende Fauna. Auf der einen Seite möchte er das Tagebuch gern
als Buch veröffentlichen und so als Schriftsteller erfolgreich sein, wie er es
als Bestienjäger bereits ist. Auf der anderen Seite ist er jedoch auch
gewalttätig, könnte als erfolgreicher Söldner arbeiten, wenn er bereit wäre,
für Geld zu töten. Während er auf solchen Antrieb verzichtet ist er nicht
sonderlich zimperlich, wenn es darum geht, die eigenen Ziele zu verfolgen. Was
Jarun allerdings schmerzhaft in Erfahrung bringt.
Himek Steinbrecher ist nicht etwa im Bergbau tätig, sondern ein erfolgreicher
Leiböffner. Man könnte auch Leichenbeschauer oder Chirurg dazu sagen. Je
nachdem ob an toten oder lebendigen Wesen der Leib geöffnet wird. Er darf in
einem Institut für Geisteskranke an Versuchen teilnehmen, die ihn ganz und gar
nicht gefallen. Unter der Aussage seines Chefs Fejod Kolbner, die Versuche seien
für den Zwergenbund wichtig, führt er seine Arbeit weiter. Innerlich steht er
jedoch vor einer seelischen Zerreisprobe. Vor allem, als er sich für Patientin
23 mehr als notwendig interessiert. Die Experimente erfordern Opfer und auch
Patientin 23 scheint kurz davor zu stehen, ebenfalls in diese Rolle gedrängt zu
werden. Himek ist nicht unbedingt ein Held, er verhält sich auch nicht so. Er
steckt in der Krise. Er würde sich gern anders verhalten, für mehr
'Menschlichkeit' seiner Patienten eintreten. Doch genau das kann er nicht. Seine
Loyalität seinem Chef gegenüber steht ihm im Weg.
Fazit
Thomas Plischkes Roman ist eine Erzählung, die in die vorindustrielle Zeit der
Menschen angesiedelt sein kann. Es gibt Gewehre und Eisenbahnen die für einen
Fantasy-Roman eher ungewöhnlich sind. Das Ganze ist sehr vielschichtig
aufgebaut und daher ein Buch, welches man nicht einfach mal so nebenbei liest.
Wer sich ganz auf das Buch einlässt, wird es sicher nicht bereuen. Das Buch
wimmelt vor Anspielungen. An Verschwörungstheorien, an Personen und
Persönlichkeiten, Situationen und auch an Fernsehserien. Trotz all dieser
versteckten Hinweise vergisst der Autor nicht, seine Geschichte zu erzählen.
Für die Fantasy gibt es keine Schublade in der die Erzählung zur
Klassifizierung gesteckt werden könnte. Wer meine Besprechungen kennt, weiss
aber auch, dass ich das Schubladendenken ablehne. Ich schwanke ein wenig
zwischen Thriller, Politkrimi, Fantasy, sozialkritischer Phantastik,
unterhaltsamer Fantasy und anderem mehr. Wie dem auch sei. Die hohe Anzahl an
Handlungsträgern in der Erzählung sind nicht platte Figuren, mit denen man
schnell eine Geschichte erzählen will. Für mich wurde sehr schnell klar, die
Erzählung um die zerrissenen Reiche hat hier einen Anfang genommen, der so
schnell nicht erzählt ist. Der vorliegende Band enthält die 'Bücher' Amboss
und Hammer. Manchmal kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, es sei gekürzt
worden, wenn ja, wurde es sehr gut gemacht. Trotzdem würde ich gern wissen, was
mir entgeht. Über die Entwicklung der Figuren hätte ich gern mehr gelesen.
Manch eine der Figuren ist Geheimnisvoll aufgebaut wie die Patientin 23, andere
sind die Ermittler, die mich ein wenig an Mike Hammer erinnern, dann gibt es
wieder die entsprechenden spannende Szenen wie Verfolgungsjagden, oder die
soziale Komponenten wie der bereits angesprochene Rassismus durch Bugeg, das
Reich - Arm Gefälle, weil doch nicht alle Zwerge gleich sind. Allen Zwergen
gemein ist jedoch ihre Sprache. Sie ist sehr an die Bergmannssprache angelehnt.
Was in Bezug auf den Hintergrund der Zwerge im 'normalmenschlichen Verständnis'
begründet liegt. Damit gibt es keinen Bruch zu den Märchen, in denen die
Zwerge kleinwüchsige Bergarbeiter sind, man denke als bekanntestes Beispiel an
die sieben Zwerge bei Schneewittchen. Das Buch lässt sich gut lesen und wurde
fesselnd und lebhaft geschrieben. Zwar kann man sich mit den Handlungsträgern
nicht unbedingt gleich stellen, aber man findet sich, egal bei welchem
Handlungsstrang, immer mitten im Geschehen.
Vorgeschlagen von erik schreiber
[Profil]
veröffentlicht am 14. Januar 2009 2009-01-14 10:34:47