Vorteile der Hochsensibilität
"Memme", "Heulsuse", "Weichei", "Du
Mädchen", nur einige der wenig wertschätzenden Bemerkungen der Umwelt,
die Menschen, oft gerade ein Kindheit und Jugend, zu erleiden haben, deren
"Haut zu dünn ist". Anders gesagt, hochsensible Menschen, die
unvermittelter und mit wesentlich weniger Kontrolle auf Impulse reagieren und
denen es unter Umständen auch im erwachsenen Leben nicht gelingt, sich eine
"dicke Haut" anzulegen.
Ständiges Infrage-Stellen seiner selbst und der konkreten Situationen, das
ebenso ständige Betrachten, wie das eigene Verhalten wohl auf andere wirken
mag, das innere Rechnen mit allen möglichen Pannen, die geschehen können, sich
den eigenen und den Kopf der anderen zerbrechen, so stellt sich eine hohe
Sensibilität im Alltag dar. Von Rolf Sellin treffend schon zu Beginn anhand
eines fiktiven Beispiels und in verständlicher Weise dargestellt.
Weiterhin wertet er Erkenntnisse aus seiner Praxis als Berater dahingehend aus,
dass es hoch sensible Menschen gibt, die unter ihrer ständigen Empfindsamkeit
leiden, durchaus aber auch andere gleichen Typs, die aus ihrer erhöhten
Empfindlichkeit und Empfänglichkeit für das, was um sie herum vorgeht,
konstruktive Folgerungen zu ziehen wissen.
Es ist also möglich, dass aus dem vermeintlichen Manko konstruktive
Möglichkeiten erwachsen.
Wie das gehen kann, das stellt Rolf Sellin allzeit in verständlicher Sprache,
in seinem Buch dar, beantwortet diese Frage aber nur generell, nicht in Form
eines "Trainingsprogramms" (was der Untertitel vermuten lassen
könnte). Eher liegt im Buch eine Beleuchtung des Themas aus mannigfaltigen
Blickrichtungen vor.
Durchaus übrigens richtet er dabei seinen Blick auch dahingehend aus, eine
gewisse Stressresistenz auszuprägen. Es geht nicht um ein unkontrolliertes
"Laufen lassen", der eigenen Sensibilität. Denn trotz aller Vorteile
von erhöhter Intuition, fast schon medialen Fähigkeiten, sich ganz einbringen
können in Aufgaben und diese Aufgaben in einem viel weiteren Rahmen
"erahnen", überblicken können als andere, braucht es eine gewisse
Möglichkeit der inneren Abgrenzung und der Erträglichkeit von Stress, um nicht
ganz im Taumel der Emotionen unter zu gehen.
Die Technik, die Sellin mit in den Raum stellt nach seinen vielfachen
Darstellungen der zu vermeidenden Gefahren und der innewohnenden Möglichkeiten
der Hochsensibilität bezeichnet er als "Knoten lösen". Knoten sind
eben jene Verzettelungen und jenes sich Festfahren in rasenden
Gedankenkreisläufen des Grübelns, Analysierens und Interpretierens, die den
tatsächlichen Weg einfach nur lähmen. Dieser Teil des Buches ist allerdings
nur angerissen. Mehr als dass eine Arbeit mit "systemischen
Aufstellungen" und eine "Arbeit mit inneren Teilen" beste Erfolge
nach sich ziehen, erfährt der Leser kaum.
Das Buch ist somit kein "Do-It-Yourself" Buch, dass man Seite für
Seite abarbeitet und damit am Ende seine Hochsensibilität einerseits
stressresistenter und andererseits nutzbarer gemacht hat, sondern eher ein
"Mutmacher", sich selber genauer einschätzen zu lernen, zu entdecken,
dass eine gesteigerte Empfindsamkeit große Möglichkeiten ins ich trägt, auf
die man vertrauen lernen kann.
Mehr Mut zu sich selbst, die eigenen Persönlichkeitsteile entdecken und
benennen können und dann den Weg zu einer kompetenten Beratung finden, dass ist
allerdings durchaus als Gewinn aus dem Buch heraus zu ziehen.
Fazit
Ebenso, wie eine genauere Einschätzung dessen, was Hochsensibilität eigentlich
ist durch die Lektüre ermöglicht wird und dass es nicht notwendig ist, dies
beständig als Manko der eigenen Person zu empfinden. Ein Buch mit viel Raum
für die eigenen Erkenntnis und damit ein durchaus wertvoller Impuls für das
genannte Thema.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Mai 2011 2011-05-02 14:52:09