Die Wiederentdeckung sexueller Lust in der Partnerschaft
David Schnarch wendet sich in seinen Einlassungen (und aus seiner langjährigen
Praxis) einem verbreiteten Geschehen zu. Nicht in allen, doch aber in vielen
Partnerschaften kühlt das sexuelle Verlangen im Lauf der Zeit, nach der Phase
des hohen Begehrens, mehr und mehr. So ist auch der Untertitel des Buches genau
in diese Hinsicht zu verstehen, "Sexuelle Leidenschaft wieder
wecken".
Beileibe aber kein einfacher Ratgeber mit ein wenig Hinweisen zu anregenden
Dessous oder der Erprobung neuer Spielarten im Schlafzimmer ist dieses Buch,
sondern eine tief reichende, fundierte und grundlegende Betrachtung der
Sexualität mit ihren Implikationen zur (Weiter-) Entwicklung der
Persönlichkeit.
Das Zitat von Erich Jansch, "Evolution ist Selbstverwirklichung durch
Selbsttranszendenz", dem Buch vorweg gestellt, lässt dieses Ansinnen des
Autors mitschwingen. Der Mensch entwickelt sich, indem er über sich selbst
hinausgeht, indem er neue Möglichkeiten zu jeder Zeit in sich sucht, entdeckt
und fördert.
Störungen des sexuellen Verlangens verweisen auf den Menschen dahinter, auf
Intimität und Liebe, auf die Möglichkeiten der Entwicklung, die in diesem
Falle eben gegenwärtig nicht genutzt werden. Diese Möglichkeiten freizusetzen,
dass ist das eigentliche Ansinnen des Buches. Letztendlich nämlich werden
Sexualität und Verlangen in den Augen Scharchs nicht von Hormonen gesteuert. Es
ist eine Frage der inneren Haltung des Menschen und des Zugangs zu sich selbst,
die sich auch auf sexueller Ebene ausdrücken.
Die "Verwandlung" des gestörten Verlangens in neue Leidenschaft
hinein ist dabei der Schlüssel zur lang dauernden Partnerschaft unter den
Bedingungen des gegenwärtigen Beziehungs-Lebens. Bedingungen, die es nicht als
"Störung", sondern als den Normalzustand eher kennzeichnen, dass das
sexuelle Verlagen zu Zeiten sich abschwächt oder gar kaum mehr vorhanden ist,
wie Schnarch eindrucksvoll belegt. In den vier Teilen seines Buches legt er
offen, warum Störungen des Verlangens eher die Regel, nicht die Ausnahme sind,
wie eine gemeinsame Entwicklung der Beteiligten durch die Bearbeitung der
sexuellen Probleme in den Raum treten kann, er erläutert im dritten Teil, das
Lustlosigkeit immer ein individuelles Phänomen auf dem Hintergrund einer
persönlichen Lebensgeschichte ist und leitet dann im abschließenden Teil
ausführlich in die Praxis über, was genau man, innerlich wie äußerlich, tun
kann, um das Verlangen (neu) zu entfachen und die Sexualität befriedigend zu
vertiefen.
Auch in diesem Teil behält er seinen roten Faden der persönlichen Entwicklung
bei, denn auch im direkt sexuellen Bereich geht es letztlich darum, "der
Mensch zu werden, der man sein will". Getäuscht hätte sich übrigens
wiederum, wer hier einen praktischen Stellungsratgeber erwartet (im Sinne
sexueller Stellungen, intime Stellungen werden durchaus erarbeitet).
Den wesentlichen Bereich, der für das Gelingen einer erfüllten Sexualität
über lange Zeit hinweg im Raume steht, verortet Schnarch in der Intimität.
Eine intime Nähe (die durchaus nicht vom Himmel fällt, sondern erarbeitet
werden kann und soll) ist quasi der Garant für eine auch erfüllte körperliche
Nähe An diesen Einlassungen und dem (übrigens im Buch durchgehend immer zur
Erhellung bestens eingebrachten) präzisen Fallbeispiel wird deutlich, wie sehr
das Konzept Schnarchs auf der persönlichen Entwicklung und der inneren Arbeit
an sich selbst beruht.
In therapeutischer Tiefe bietet das Symptom des sexuellen Erkühlens eben nur
den Ansatzpunkt für eine Entwicklung und damit Veränderung der eigenen Person.
Fazit
Ein fundiertes, überzeugendes und breit angelegtes Buch, in dem Davis Schnarch
Intimität mit Sexualität, persönliche Entwicklung mit (knisternder Erotik)
und Transzendenz mit Beziehungsqualität verwebt. Ein Buch über das menschliche
Leben selbst, ausgehend und einmündend in eine der stärksten
Vitalitätsäußerungen, die zwischen Menschen geschehen kann. Ein Buch, mit dem
der Leser sich intensiv beschäftigen muss und in dem keine vorgefertigten oder
einfachen Antworten im Vordergrund stehen, sondern die richtigen Antwort-Wege
aufgezeigt werden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. April 2011 2011-04-21 08:37:33