Ein ausgedehnter Streifzug durch Ernst Jüngers Schriften und Denken
Das Werk Ernst Jüngers, der 1998 102jährig verstarb, ist immens und breit,
vielfach und vielschichtig. Basierend auf dem namengebendem Buch Jüngers von
1928 (verändert 1938 neu aufgelegt), hat nun Heinz Ludwig Arnold, zu Zeiten
Mitarbeiter Jüngers, ein eindrucksvolles, umfassendes und Wesentliches des
Denkens Jüngers darstellendes "Ernst-Jünger-Lesebuch" herausgegeben,
dass in fundierter Form eine breite Annäherung an diesen Philosophen,
Schriftsteller, auch Militaristen (Krieger) und LSD Erprober ermöglicht.
Vorweg gesagt allerdings ist es sicherlich so gut wie unmöglich, ein wirklich
umfassendes Bild eines der produktivsten Schriftsteller des letzten Jahrhunderts
vorzulegen, zu mannigfaltig und auch vielfältig sind die Werke Jüngers, um sie
auch nur ansatzweise auf einen Nenner zu legen. Arnold betont diesen Umstand
durchaus und will sein Buch explizit als "persönliche Sammlung"
verstanden wissen. Dennoch, trotz notwendiger Konzentration in der Auswahl und
trotz mancher Auszüge aus Gesamtwerken, die für sich gestellt einfach auch den
tieferen Sinnzusammenhang des Gesamten verlieren, bietet die Sammlung Arnolds
durchaus einen möglichen Zugang zum vielschichtigen Werk Jüngers.
Unter den fast "Lebensthemen" Jüngers Krieg und Frieden,
abenteuerliches Herz, Streifzüge, Erzähltes, Geträumtes sammelt Arnold
Text-Marksteine Jüngers. Jünger, der von sich selbst im Alter sagt, dass ihn
stärker und stärker ein Leiden ereilt, nämlich "ein Fremdling im eigenen
Vaterland zu sein". In dieser Rede Jüngers zu seinem 80. Geburtstag wird
noch einmal in Essenz verdeutlicht, wie stark sich Jüngers ausgeprägter
Nationalismus gerade in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg mit der
politischen Realität und dem kulturellen Selbstverständnis der Bundesrepublik
mitsamt der Meisten seiner schaffenden Künstler brach. Jünger dabei in diesen
Nachkriegsjahren als Nationalsozialisten zu kennzeichnen ist mittlerweile
allerdings glücklicherweise ad acta gelegt. Dennoch ist und bleibt Jünger ein
Schriftsteller, an dem sich die Geister auch in Fragen seiner persönlichen
Haltung scheiden.
Anpassung und Unterordnung, Regularien und hierarchische Steuerungen sind
Themen, die in Jüngers Werk immer wieder aufgenommen wurden und im Zuge des
"Waldgängers" auch Einzug in die vorliegende Sammlung erfahren haben.
Sich der "empirischen Wirklichkeit" methodisch zu entziehen ist eine
der Quintessenzen aus der Lektüre Jüngers, der sich im Wesen nie hat
vereinnahmen lassen wollen. Und dem der "Anarch" näher stand als der
"Untertan".
Ein gravierendes Manko der Sammlung Arnolds ist allerdings, dass dieser den
Leser, bis auf seine aus persönlichen Erinnerungen gespeiste Einleitung,
unkommentiert mit der Schriftauswahl und den Texten selber alleine lässt.
Gerade aufgrund der Komplexität des Denkens und des Werkes Jüngers wären
durchgängige Kommentierungen und zumindest subjektive Erläuterungen
wünschenswert gewesen. Arnold selbst erwähnt ja zu Beginn, wie er selbst in
ersten Kontakt zum späteren "Chef" trat mit konkreten
Verständnisfragen zu Texten Jüngers. Somit hätte gerade ihm eingängig sein
sollen, wie sehr manches von Jüngers Aussagen einer Erläuterung bedürfen.
Zwar bietet Arnold einen Überblick über seine Auswahl und ein wenig über
seine Kriterien vorweg gestellt an, doch sowohl Erläuterungen zu den Texten
selbst als auch zu dem, was und warum Arnold manches als exemplarisch
betrachtet, fehlen fast völlig. Neben einem faszinierenden Eindruck von Umfang
und Vielfalt des Werkes Jünger bleiben so durchaus auch Irritationen im Raum
und manche Fragen offen.
Fazit
Das Buch bietet eine umfangreiche und sicherlich den Phasen des Denkens und
Schaffens Jüngers gerecht werdende Auswahl an Texten, zeigt allerdings zuwenig
die Einbettung in den jeweiligen Kontext der Texte auf und erläutert ebenso zu
wenig manches Notwendige, um die Begrifflichkeit und das komplexe Denken
Jüngers verstehend einordnen zu können. Eine interessante und anregende erste
Annäherung an Jünger aber ist durch dieses "Lesebuch"
gewährleistet, die dann aber nach gründlicherer Vertiefung verlangt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. April 2011 2011-04-21 08:35:33