Therapeutische Methode der Provokation
Wie gelingt es, im Rahmen einer Therapie auf die Ebene der Gefühle zu gelangen,
jene Ebene, auf der tatsächlich Veränderungspotential vorliegt und
Verhaltensänderungen intensiv angestoßen werden können? Das Lesen von
Büchern, therapeutische Vorträge, rationale Einsichten führen in den meisten
Fällen nun einmal nicht zu wirklichen, konstruktiven Änderungen des
Verhaltens, dienen oft gar gegenteilig durch die Rationalisierung des Klienten
geradezu zur Abwehr tiefer Einsichten und Änderungen problematischer
Zustände.
In Form einer Methode der Konfrontation setzt der provokante Stil genau an
dieser Schnittstelle zum emotionalen Erleben des Klienten an. In der Neigung des
Menschen, möglichst stabile Rahmenbedingungen in seinem Leben zu gestalten (und
dafür teils einen hohen, persönlichen Preis zu zahlen) setzt diese Form der
Provokation ein stückweit darauf, Brüche in jene, manchmal fast betonierten,
stabilen "Schutzrahmen" zu erzeugen. Brüche, die Widerstand,
Widerspruch, ein "sich wehren" des Klienten auf emotionaler Ebene
erzeugen, die dann die vermeidlich Sicherheit gebenden Verhaltensweisen in den
Fokus der Therapie rücken, offen gelegt werden und bearbeitet werden können.
Weil Menschen ihrer Kreativität so häufig Fesseln anlegen, um sich selbst und
anderen gegenüber berechenbar zu erscheinen, ist der Versuch, Neues zu wagen
auch ein Springen über viele eigene Schatten.
Auf der Basis der "Provokativen Therapie" nach Frank Farrelly
entwickelt der Autor im Buch eine Methode des "provokativen Stils",
die auch in durchaus anderen Therapieformen als gezielte Intervention Einlass
finden könnte und vielfältig verwendbar ist, wenn man die sauber dargelegten
Rahmenbedingungen beachtet. Eine Methode, die umgehend auf das emotionale
Erleben des Klienten zielt und emotionale Reaktionen hervorruft. Die je eigene
Fixierung auf bestimmte Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, an denen der
Mensch je individuell ausgeprägt standhaft festhält, um seine Selbstbild zu
bewahren, sollen durchbrochen werden. Mit dem therapeutischen Erfolg für den
Klienten, sich selbst relativieren, neben sich stellen zu können und damit jene
erstarrten Regeln bearbeiten zu können, die an einer Weiterentwicklung hindern.
Dies bedarf, für Augenblicke zumindest, einer Ausschaltung des
"Zensors" des Intellektes, der rationalisierend beständig Gründe
dafür liefert, besser alles so zu lassen, wie es ist.
Zusammengefasst also geht es Höfner mittels des provozierenden Stils darum,
Wachstumsbremsen im Menschen zu lösen, den Blick für die Vielfalt der eigenen
Person zu öffnen und Fixierungen, Faulheit und Feigheit nicht mehr im Wege
stehen zu lassen für eine gute und gesunde Weiterentwicklung.
Anhand äußerst verständlicher Beschreibungen und vielfacher Beispiele wird im
Buch nicht nur deutlich, wie dieser Stil eingesetzt und mit welchen Folgen er
angewendet werden kann, sondern auch, dass es diese Methode "tut".
Ebenso, wie Noni mit seinem Verständnis von Beratung und Therapie die oft
strikt behaupteten Grenzen von unterschiedlichen Therapie- und
Beratungsansätzen verschwinden lässt. Noni betrachtet Klienten als mehr stark
als schwach und mehr gesund als krank, als somit mündige und starke Menschen,
die allerdings zum Zeitpunkt der Ratsuche in einer Sackgasse feststecken. Aus
dieser zu befreien, dazu bietet der provozierende Stil eine Menge hilfreicher
Interventionsmöglichkeiten und Zugänge.
Eine solche Form der Beratung braucht natürlich auch einen starken Berater, der
ebenfalls es aufgibt, ständig auf Nummer Sicher zu gehen (die notwendige
persönliche Haltung des Beraters wird ebenfalls ausführlich im Buch
betrachtet).
Fazit
Ein erfrischender Ansatz. Nicht, weil er neu ist, sondern weil er auch starre
Regeln und das Setting therapeutischer Haltungen durchbricht und so kreative
Möglichkeiten en Masse in den Raum der Beratung setzt. Das Buch ist ein Gewinn
für jeden beratend Tätigen im Rahmen der Erweiterung seiner eigenen
methodischen Möglichkeiten und seiner eigenen Haltung sich selbst und Klienten
gegenüber.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. April 2011 2011-04-01 15:10:01