Einführung in die analytische Psychologie Jungs
"Der Mensch steht in einem umfassenden Sinnzusammenhang, der weit über das
Offensichtliche hinausgeht".
Dies ist eine der wesentlichen Grundannahmen C.G. Jungs über den Menschen und
führt zu einer Sicht auf die Erlebniswelt des Menschen, die immer auch
verbunden ist mit einer geistigen Wirklichkeit. Ein Verständnis, dass Jung zu
einem umfassenden und, in Teilen, nicht leicht zu verstehenden psychologischem
Gesamtgebäude ausformulierte.
Murray Stein, Jungianer und Psychotherapeut gelingt es, in seinem Buch die
grundlegenden Annahmen Jungs vom kollektiven Unbewussten über die
Archetypenlehre, die Begriffe von Persona und Schatten und des
Entwicklungsprozesses der Individuation nach Jung nachvollziehbar, verständlich
und fundiert darzustellen. Auf diesem Wege legt Stein einen komplexen Überblick
über das Jungsche Denkgebäude vor, dass in bester Weise Wege aufzeichnet und
eröffnet, sich auf dieser Basis dem originären Werk zu nähern.
Die große Entdeckungsreise "nach Innen", für die C.G. Jung steht,
das "bevölkerte Innere" wird durch Stein in durchaus verständlicher
Sprache vor Augen geführt. Die Begrifflichkeiten Jungs, die sich durch eine
ganz eigene, mythische Färbung auszeichnen, erhalten eine klare, inhaltliche
Füllung.
Zudem gelingt es Stein, unter anderem auch auch an der Entfaltung des
"Selbst" aufzuzeigen, wie intensiv in Jungs Denken eigene Erfahrungen
maßgeblich mit einflossen, wie Jung immer auch ein Entdecker seiner selbst war
und von solchen Selbsterfahrungen ausgehend tiefer nachfragte und Erkenntnisse
formuliert. Nicht ohne Hintergrund stehen die grundlegenden und bahnbrechenden
Einsichten Jungs im Zusammenhang mit dem, was man nonchalant auch "Midlife
Crisis" nennt. Wie kaum ein anderer der großen "Väter" der
Psychotherapie (vielleicht wäre noch Wilhelm Reich zu nennen) ist Jung jener,
der an der eigenen Person, im eigenen Ringen mit dem "Ansturm des
Unbewussten" fundamentale Einsichten formulierte und selbst Erfahrenes in
allgemeine therapeutische Methoden dann überführte.
Diese persönliche Komponente nimmt Stein, neben der Darstellung des
Konzeptgebäudes Jungs, beständig mit auf und lässt so eine Formulierung und
Erläuterung nur theoretischen Materials weit hinter sich. Ein Gesamtbild ist
es, dass Stein zeichnet. Er ermöglicht einen umfassenden Zugang zur
"Landkarte der Seele", die für Jung späterhin Orientierung und
Wegweisung der therapeutischen Arbeit zugleich wurde. Ebenso verdeutlicht Stein
im Buch, dass die in Teilen mythisch-mystische Begrifflichkeit Jungs (mitsamt
der dazugehörenden Aspekte seiner Persönlichkeit) kein Buch mit sieben Siegeln
darstellt, sondern eine durchaus adäquate Ausdrucksform dessen darstellt, was
Jung an Tiefe im Menschen fand.
Fazit
Neben der Darstellung der Grundzüge der analytischen Psychotherapie nach Jung
ergibt sich aus der Lektüre des Buches somit auch ein fassbares,
mehrdimensionales Portrait Jungs selbst, dessen Person mit seiner Arbeit und
seinen Erkenntnissen untrennbar verbunden ist. Intuition und Mythologie,
Visionen und Träume waren für Jung ebenso prägend und maßgebend wie seine
streng wissenschaftlich ausgerichtete und an wissenschaftlichen Kriterien sich
messende Arbeitsweise. Murray Stein ist eine hervorragende Darstellung der
komplexen Entwicklung der "Landkarte der Seele" gelungen, die das
Lesen absolut lohnt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. April 2011 2011-04-01 13:16:32