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John Burnside: Lügen über meinen Vater

Lügen über meinen Vater

von John Burnside
Verlag: Albrecht Knaus Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Belletristik
ISBN-13 978-3-8135-0315-9

Preis: 24,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Von Liebe, Hass und Gewalt

"Am Ende wünscht John Burnside seinem Vater nur noch dem Tod".

Dieser Satz prangt auf der Rückseite des Buches und gibt in bester Weise bereits die Richtung des gesamten Romans vor. Die Geschichte einer Familie, eines Vater - Sohn Verhältnisses, dass, so ebenfalls der Klappentext, mit "alttestamentarischer Wucht" in die tiefen menschlichen Empfindens und menschlichen Existenz, in die Tiefen der festesten Bande hineinreicht, die Menschen kennen. Hinein in die Bindung an den Vater, dem sich jedes Kind, vor allem jeder Sohn, voll innerer Hoffnung zuwendet. Und die er nie im Leben wird wirklich abschütteln könnten, auch dass ist die schonungslose Essenz dieser Lebensgeschichte.

"Ein Mann handelt, ein Mann benutzt, ein Mann zerstört, ein Mann beherrscht".
Das sind die Werte, die John Burnsides Vater lebt, in sich trägt, vertritt.
Sanftmut, Liebe und Feinsinnigkeit kommen in diesem Wertekanon nicht vor.

Alkohol, Härte, Egozentrik, Lüge und Betrug, das ist, wie sich im Leben der Familie diese innere Haltung des Vaters ganz praktisch darstellt, die den Sohn angewidert, ohne Mitleid und voller Hass zurücklässt. Gefühle, die er wohlweislich dem Vater gegenüber nicht zeigt, doch die sich im Leben irgendwann einmal mit Wucht Bahn brechen werden. Gefühle gegenüber einem Vater, der ebenso als Kind bereits nicht gewollt war, der als Säugling vor einer fremden Tür abgelegt wurde und Zeit seines Lebens nach Anerkennung giert.
Den auch ein schwerer Unfall und die darauf folgende Anteilnahme der anderen innerlich nicht weicher macht. Da ist einer, der einfach am "Rande der Dunkelheit steht und sich unbeobachtet glaubt". Am Rande einer inneren, menschlichen Dunkelheit.

Schonungslos erzählt John Burnside bildhaft, schmerzhaft die tiefsten Abgründe der Gefühle und der Gewalt, auch gegen sich selbst (Burnside hat lange Zeit mit eigenen Suchtproblemen zu kämpfen gehabt), offenlegend und mit erzählerischer Wucht.

Es gibt für den aufwachsenden John kein Entrinnen. Er ist es, der an der Bürde scheitern muss, an der er zum Teil innerlich zerbricht. Eine Mutter, die kein Gegengewicht zu bilden vermag, eine Schwester, die vom Vater kaum wahrgenommen wird und eben er, der früh lernt, seine wirklichen Gefühle tunlichst zu verbergen, denn Rücksicht kennt der Vater nicht, wenn ihm etwas gegen den Strich geht. Wie spürbar schmerzlich, als Leser mit zu erleben, wie zu diesem Verbergen auch die Gefühle der Liebe gehören, die so gar keinen Widerhall finden, die das Kind so unglaublich mit sich allein lassen.
Sogar ohne großen Anlass agiert dieser Vater, lässt Burnside auf jeder Seite den Leser daran teilhaben, wie ein unberechenbarer Vater vor allem eines verfolgt, sein bisschen kümmerliche Dominanz an denen auszulassen, wo eine Gegenwehr nicht möglich ist.

Ohmacht ist es, völlige Ohnmacht, die das innere Erleben des John Burnside prägte zu jenen Zeiten. Eine Ohnmacht, die Burnside in solcher Klarheit zu schildern versteht, dass man das Buch einfach nicht aus der Hand legen kann angesichts dieser Darstellung menschlicher Abgründe. Angesichts dessen, wie hier ein Sohn konsequent durchgedemütigt wird.

Dass einen der eigene Vater niedermacht, dass tatsächlich hier einer Vater ist, der andere nicht annehmen, nicht wahrnehmen kann, der nur um sich selber kreist und seinen kranken Despotismus in den eigenen vier Wänden lebte, weil er nirgends sonst auch nur den Hauch einer Möglichkeit dafür finden würde, dass ist in der geschilderten Offenheit schwer zu verkraften und wird durch die literarische Qualität des Buches nicht etwa abgemildert, sondern in großer Klarheit unter den hellen Scheinwerfer präziser Ausdrucksweise gerückt.

Es gehört Mut dazu, diese autobiographische Geschichte zu schreiben und auch sich selbst in seiner eigenen Schwachheit und Problematik vor den Augen der Welt offen zu legen und es gehört ein tiefes, schriftstellerisches Talent dazu, diese Lebensgeschichte in genau dieser radikalen und wahren Sprache schreiben zu können, die dem Leser Satz für Satz im Innersten mitnimmt und in das eigene Leben eindringt.
Fazit
Ein Buch von tatsächlich alttestamentarischer Wucht, was die Tiefe menschlicher Abgründe, das Gefühl der Gottverlassenheit und die nagende, zerstörerische Kraft der Ablehnung und Einsamkeit angeht. Aber auch die kleine Flamme hoffnungsvollen Lichtes im tiefsten Dunklen am Rande mit leuchten lässt. So zumindest das ein oder andere innere Versöhnen, dass John Burnside gelingt, nachdem er selber Vater wurde.
Gut so, dass John Burnside diesen Mut zu diesem Buch gefunden hat.
10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne10 Sterne
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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 30. März 2011

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