Rückzug wohin?
Georg Laub hat sich zurückgezogen. Würde er sagen. Weg von der Welt. Mit so
wenig wie möglich auskommen. Immerhin, er weiß schon, wer er ist und wo er
ist, so gut man das im allgemeinen wissen kann. Einer, der seit einigen Monaten
bereits mit sich selbst lebt. Doch die Welt holt ihn doch, immer wieder, ein
stückweit ein. Vor allem, was den Lebensunterhalt angeht, denn die finanziellen
Reserven schmelzen schnell. Nicht so, wie vor Zeiten noch, als er ein
bekannter, gern gelesener und durchaus annehmlich lebender Schriftsteller war.
Und das nun zur Unzeit, denn das Haus, in dem er lebt, bräuchte einiges an
Sanierungen. Aber interessiert ihn das alles wirklich? Scheinbar nicht, folgt
man dem Buch.
Denn Laub möchte einfach nicht mehr. Schreiben in und für diese Welt der
Schnelligkeit, der Technik, der Hektik, des Überflusses, der
"Googlelisierung". Auch als sich noch eine Chance für ihn ergeben
könnte. Inmitten dieser neuen, ihm durchaus fremden und ungewollten Welt des
Internet. Einer Welt, deren Teil er zumindest zu seinen "großen"
Zeiten einmal war. Immer gefragt, immer unterwegs, immer ein tiefsinnig
wirkendes Bonmont auf den Lippen.
Dennoch, Georg Laub wirkt durch die Schilderungen Sylvia Bovenschen nicht wie
einer, der nun angekommen wäre im Ausstieg. Eher ein wenig wegtauchend, eher
ein wenig die Augen schließend lebt er das, was er selbst als konsequente
"Verkargung" seines Lebens beschreibt.
Dass er einen Vorschuss für einen neuen Roman bereits erhalten hat, kümmert es
ihn wirklich nicht oder schiebt er solch lästige Gedanken lieber einfach zur
Seite, die ihn doch noch einholen werden? Oder schreibt er, heimlich, im
Verborgenen? Obwohl er es nicht vorhat.
Durch die klare und dennoch oft nur andeutende Sprache gelingt es Sylvia
Bovenschen, den wirkliche Zustand im Gemüt und im Leben ihrer Hauptfigur Georg
Laub (die übrigens zudem irgendwann im Buch einfach verschwinden wird) zu einer
offenen Frage zu gestalten. Glaubt der Leser, nun aber wirklich ergriffen und
begriffen zu haben, wie dieser abhalfternde Schriftsteller nun eigentlich tickt,
erhält die Geschichte umgehend eine kleine, neue Wendung. Nur eines ist sicher,
wenn die Welt in ihrer aktuellen Erscheinungsform ihm näher kommt und näher
rückt, wendet er sich konsequent ab. Ab von einer Welt, die sich durchaus
gerade da um ihn kümmert, wo er nicht hinschauen will. Auf Facebook ist eine
eifrige Community rege mit der Frage beschäftigt, wo Georg Laub eigentlich ist
und versteigert sich zu abstrusen Theorien. Fragen, Theorien, Vermutungen, die
auch zum Ende des Buches hin nicht letztgültig beantwortet werden. Zwar gibt es
da noch ein Manuskript, aber hat es Georg Laub wirklich geschrieben in den
stillen Stunden?
So bleibt am Ende des Buches jene Verwirrung, die bereits zu Anfang des Buches
sich Bahn bricht. "Nichts genaues weiß man", dieses geflügelte Wort
schwingt auf den knapp 285 Seiten des Buches beständig im Hintergrund mit. Dies
macht die Geschichte allerdings nicht belanglos, sondern stellt im Gegenteil die
bohrende Frage nach all den vermeintlichen Wichtigkeiten des modernen Lebens
nagend in den Raum. Und überlässt dem Leser weiterhin die Aufgabe, eine ganz
eigene Antwort finden zu müssen. Denn auch der Rückzug in die althergebrachte
Lebensform, weitab der digitalen Welt mit den Freunden (wie damals) in der
Kneipe an der Ecke ist nicht der Weisheit letzter Schluss und wird sich als
nicht dauerhaft tragfähig herausstellen.
Fazit
Nicht einfach ist es, den Betrachtungen Sylvia Bovenschens zu folgen. Nicht
einfach ist dieser vordergründige und scheiternde Idealismus, den Georg Laub
vor sich her trägt.
Vielleicht findet sich ein einfacher Anhaltspunkt in einem der letzten Sätze
des Buches, welch ein Glück letztlich darin liegt, die Gemeinsamkeit einfacher
Bedürfnisse fest zu stellen.
Das scheint am Ende des Tages das einzig Sichere in dieser Geschichte eines
Scheiterns auch an sich selbst zu sein. Im assoziativen Stil und der schwer zu
fassenden inneren Geschichte des Buches dürfte der Roman allerdings bei weitem
nicht jedermanns Sache sein, man muss sich darauf einlassen können, auf all die
vagen "Könnte Sein" im Buch.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. März 2011 2011-03-24 13:27:44