Missbrauchter Idealismus
Uwe-Karsten Heye wollte zu Beginn des Buches nichts anderes, als "die
Chronik einer Familie schreiben, die stellvertretend für viele steht".
Einer Familie, die sich überzeugt dem Aufbau eines anderen, besseren Staates
auf deutschem Boden verschrieben hatte und große Erwartungen an die DDR
knüpfte. Ein Land, zu dem auch Heye selbst durch Kindertage und Teile seiner
späteren journalistischen Arbeit eine innere Affinität besitzt. Anders
natürlich als die Familie Hanke, deren Geschichte im Buch niedergelegt ist.
Herausgekommen ist nicht nur dieses Vorhaben, sondern die Geschichte eines
mitnehmenden und in Teilen erschreckenden inneren Dramas.
Eine Geschichte, die auch eine Geschichte vom Wollen ist und einem nicht sehen
wollen realer Umstände, einem "es kann nicht sein, was nicht sein
darf". Diese über lange Zeit innere Haltung von Brunhilde und Helmut Hanke
ist es, die dem Buch seine immense innere Spannung gibt und die erkennbar
schwerwiegende Folgen für die Hankes in sich trägt. Folgen physischer und
psychischer Erkrankungen.
Eine innere Spannung und Intensität, die sich nicht zuletzt aus der Kenntnis
der Mitautorin Bärbel Dalichow speisen, der Tochter der Hankes. Eine Geschichte
auch beginnender innerer Wirrungen, denn Helmut Hanke hat ja durchaus auf seinem
Weg in diesem sozialistischem Staat irgendwann seine Zweifel erlebt. Kritik und
Zweifel, über die er in der Familie, vor allem seiner Tochter gegenüber,
geschwiegen hat. So entsteht bei der Lektüre der Lebensgeschichte dieser
Familie oft und oft das Gefühl einer künstlichen Blase, eines inneren Vakuums,
dass durch äußere Handlungen und laut bekundete Solidarität mit dem Staat auf
Dauer nicht zu füllen war.
Ein eindrucksvolles Zeugnis über das reale Leben auf der staatstragenden Seite
der DDR ist so entstanden, dass von allen drei Hankes nun mit Offenheit
dargelegt wird. Eine Geschichte der Arbeit an einem Land, das
"anders" sein sollte, eine Geschichte von engen Grenzen, die dennoch
spürbar gesetzt waren und die, letztendlich, gerade jene betrogen hat, die
ihren Idealismus spürbar lebten und umsetzen wollten. Ausgenutzt worden zu
sein, dass ist die bittere, kaum zu ertragende Quintessenz dieses durchaus ja
auch alltäglichen Lebens.
Eines alltäglichen Lebens, in dem durchaus einiges wichtige einfacher und
besser zu erreichen war, als es diesseits der Mauer möglich gewesen wäre.
Helmnut Hanke wurde Professor, Brunhilde Hanke vielfache Funktionärin in der
DDR. Auch "Karrierewege" für aus einfachen Verhältnissen stammende
Menschen, die andernorts kaum so möglich gewesen wären. Und die dennoch um
einen hohen Preis erkauft wurden.
So ergibt das Buch ein Bild des Leidens, letztlich. Zutiefst eines Leidens an
den eigenen Idealen und deren Verrat, aber auch an de Diskrepanz zwischen Sollen
(und ja auch Wollen) und der nackten Realität. Bis hin zu einem Leiden an sich
und untereinander, die die Familie letztendlich innerlich zerreißen wird. Die
geplante Flucht der Tochter aus dem versagenden und Unfreiheit nur bietenden
Staat ist hier nur der Auslöser, nicht die Ursache für die inneren
Zerstörungen, die Vater, Mutter und Tochter bis in die Gegenwart zu tragen
haben. Oder, wie es Heye formuliert, es sind "Muster entstanden, die bis in
die Gegenwart wirken". Muster, die vom inneren Verrat mit geprägt wurden
und tiefen, menschlichen Enttäuschungen.
Fazit
Muster, Lebenswege, eine innere Geschichte, die ein tiefes Verständnis für die
Prägungen und die Mentalität der Menschen in der ehemaligen DDR in sich
trägt. Das Buch ist ein wichtiges und wertvolles Element auf dem Wege eines
inneren Verständnisses zwischen Ost und West, auch nun über ein Jahrzehnt nach
der Wiedervereinigung und lässt en Leser nicht unberührt über den inneren
Kampf für eine bessere Welt (und dessen äußeres Scheitern).
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. März 2011 2011-03-21 14:00:43