Schönheit ist alles, was zählt?
In Amerika ist es bereits Gang und Gäbe, auch in unseren Breitengraden nimmt es
zu, dass sich durchaus auch junge Frauen bis jugendliche Mädchen
Schönheitsoperationen unterziehen wollen. Ebenso ist der Trend beobachtbar,
bereits weibliche Kindern mit Markenmode und High Heels auszustatten. Über die
Unsitte amerikanischer Mütter, ganze Wettbewerbe und Modelagenturen mit auf
Vamp gebürsteten kleinen Mädchen zu bestücken ganz zu schweigen.
Natascha Walter hat dieses Phänomen aufgegriffen und zum Gegenstand einer
breiten und äußerst differenzierten Untersuchung gemacht. Mit einer Vielzahl
junger Frauen und jugendlicher Mädchen hat sie Interviews geführt und diese
dann auf gemeinsame Nenner hin betrachtet. Mit erschreckendem Ergebnis und
ebensolchen Äußerungen von Frauen und Mädchen, die Walter zu dem Schluss
bringen, dass eine destruktive Erstarkung des Sexismus in vollem Gange ist.
Früh beginnt diese Determination von Mädchen bereits. Die Fahrt hinauf in den
dritten Stock des Kauhauses beschert der Autorin den Zutritt zu einer
umwerfenden rot-rosa Welt inklusive Nagelackstudio und einer Boutique für
(natürlich rosa) Accessoires. Sie war auf der Ebene des Spielzeuges für
Mädchen gelandet.
Im weitere Verlauf des Buches weist Natascha Walter, als Engländerin mit einem
Schwerpunkt natürlich auf die Entwicklung in England, minutiös auf, wieweit
Mädchen und junge Frauen durch künstliche Bilder weiblicher Schönheit
beeinflusst werden.
Das perfide an der gegenwärtigen Situation in den Augen der Autorin ist vor
allem, dass dies ein nicht immer völlig bewusster Vorgang ist. Denn im
Gegensatz zu den äußeren Auffälligkeiten einer eher entblößenden statt
bedeckenden Kleidung, eines verschwenderischen Umgangs mit Make up und, wie
erwähnt, einer rasanten Zunahme von Schönheitsoperationen, halten die meisten
der Frauen sich durchaus für gleichberechtigt und, vor allem, selbstbestimmt.
Offenkundig aber stimmt dies nicht, wenn sich eine Vielzahl, wohl der
überwiegende Teil moderner, junger Frauen in weiten Teilen ihres Lebens über
ihre äußere Erscheinung definieren und diese breit so gewählt wird, dass sie
Männern im Sinne einer sexuellen Anziehungskraft gefallen. Sogar alte,
eigentlich als überholt geltende Theorien über einen biologischen
Determinismus werden gegenwärtig wieder hoffähig, auch wenn die Autorin solche
Weltsichten überzeugend wiederlegt.
Das Buch entfaltet eine eindrucksvolle Kraft und öffnet in vielen Teilen die
Augen über einen zunehmenden und auf alle Bereiche übergreifenden Sexismus,
zum Glück ohne dass Natascha Walter im Stile einer Feministin nach überholten
Ideologien des letzten Jahrhunderts urteilt. Dennoch kann es nicht im Sinne
einer sozialen Entwicklung sein, dass Frauen wiederum wie zu mittelalterlichen
Zeiten reinweg als sexuelle Objekte reduziert. "Du sollst aussehen wie eine
Puppe", berichtet eine Prostituierte und stellt damit klar, dass Männer
eine solche künstliche Gestaltungsform natürlich kaum mehr als Menschen sehen.
Die aktuellen Vorgänge in Italien zeigen im Übrigen eindeutig auf, wie sehr
sich solche gegenseitigen Stilisierungen bereits auf das gesamte der sozialen
Gemeinschaft auswirken. Da, wo Ministerposten aufgrund entweder der freizügigen
Attraktivität oder aufgrund ehemals sexueller Beziehungen zum
Ministerpräsidenten des Landes durch eine klar erkennbare und dem Schema des
Buches entsprechende Art von Frauen besetzt werden wird der Idee eine politisch
kompetenten Regierung geradezu der Garaus gemacht.
Fazit
Natascha Walter ist ein durchaus fundiertes, auf Berichten junger Frauen
beruhendes, Buch gelungen, das nicht nur Frauen aufrütteln sollte. Natürlich
geht es im Buch nicht darum, fortwährend als Frau in Sack und Asche zu laufen
(das macht die Autorin auch nicht), aber eine Selbstreduzierung auf rein
äußerliche Attribute von Kindesbeinen an kann weder Frauen noch Männern noch
der Gemeinschaft tatsächlich von langfristigem Nutzen sein. Ein interessantes
und wichtiges Buch nicht nur für Frauen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. März 2011 2011-03-21 13:37:45