Ruhiges Abwägen statt Panik
Der Begriff Krise bedeutete urtümlich im Griechischen nichts anderes als einen
Zustand der Zuspitzung, erst in moderner Zeit wurde das Wort mehr und mehr ein
Synonym für massive Bedrohungen und existentielle Gefahren. Gerhard Schulze nun
geht in seinem Buch zunächst von einer einfachen Beobachtung aus, die man fast
als Inflation des Begriffes Krise bezeichnen könnte. Mittlerweile befindet sich
die Welt fast ständig an irgendeinem Ort in einer Art, zumindest behaupteter,
existentieller Krise. Oder, wie es der Klappentext formuliert: "Kein Tag
ohne Krise".
Hier nun fügt Gerhard Schulze als Grundkonzept seines ausführlichen Essays die
Methode der Skepsis ein. Er stellt, in seinen Worten, zunächst einmal "den
Alarm in Frage". Erst Denken und über das Zustandekommens des Alarms reden
und dann Handeln, statt umgehend in Panik und, vor allem, Krisengerede, zu
verfallen. Ein im übrigen an sich sehr vernünftiges Konzept, dass Schulze auf
knapp 225 Seite Text verfolgt, indem er zunächst über die Krise redet statt in
der Krise bereits sich zu verfangen.
Und er erweitert sein Thema umgehend dahingehend, dass vielfach Krisen und
Notstände durchaus mit einer Form skeptischer Überlegungen im Vorfeld
verhindert hätten werden können, wie er am Beispiel der Ölkatastrophe im Golf
von Mexiko wunderbar vor Augen führt. Wenn man denn bereit gewesen wäre,
wahrhaftig und skeptisch im Vorfeld die Dinge diskursiv zu betrachten statt mit
einem Gefühl des "wird schon gut gehen" immer erstmal einfach zu
machen.
Skepsis aber braucht das "Selbstdenken" und hier wird es schwierig,
wie er konstatiert, in einer Zeit, die das "Selbstdenken" an
professionelle "Aufklärer" delegiert.
So gerüstet und grundgelegt wendet er sich im weiteren Verlauf des Buches
seiner Aufforderung zum Selbstdenken und zur gesunden Skepsis zu. Weist auf
diesem Wege auf, dass der Mensch zugleich Pionier und Vorwärtsgehender, damit
ins Risiko gehender ist, aber auch ein Besorgter, nach Sicherheit verlangender
Charakter. Und dies in der Zeit der Moderne, die durch eine beständige
Aufbruchstimmung in beschleunigter Zeit gekennzeichnet ist und damit eine quasi
immerwährende Krisendrohung in den Raum setzt. Der Mensch ist mittlerweile ein
Krisenwesen und ob der Schnelligkeit der Veränderungen eben subjektiv immer im
Angesicht von Krisen vorzufinden.
Was also bleibt ist die skeptische Prüfung vermeintlichen Krisenwissens. Erst
in Relation gesetzt zu dem, was aktuell als "Normalzustand" zu gelten
hat (rasche Veränderungen und daher höhere Schnelligkeit, auch bei Krisen,
zudem verschiedene "Normalitäten", je nach Standpunkt der Redenden),
erst nach zudem einer skeptischen Diagnose und nach Einbeziehung von
Kausalmodellen, bekommt ein Wissen um und über eine Krise einen Sinn.
Mit einer klugen Argumentation widerspricht Schulze in seinem Buch
nachvollziehbar einem rein emotionalen Reagieren auf Krisen und dagegen, dass
sich ein Pathos gegen einen skeptischen Diskurs beständig durchsetzt und mit
seiner emotionalen Wucht das als kleinlich angesehene Pro und Contra betrachten
eines Vorfalles ständig einfach überrollt.
Gerhard Schulze hält ein ruhiges, überzeugendes und beruhigendes Plädoyer
für die Kraft des Diskurses und die Berechtigung des Zweifels, der sich den
besten Argumenten, nicht der emotionalen Wucht zu guter Letzt anschließt. Und
ein Plädoyer zum Selbstdenken angesichts der mannigfaltigen Redebeiträge und
Talkshows oft selbsternannter Experten.
Fazit
Gerhard Schulze hält ein ruhiges, überzeugendes und beruhigendes Plädoyer
für die Kraft des Diskurses und die Berechtigung des Zweifels, der sich den
besten Argumenten, nicht der emotionalen Wucht zu guter Letzt anschließt. Und
ein Plädoyer zum Selbstdenken angesichts der mannigfaltigen Redebeiträge und
Talkshows oft selbsternannter Experten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 18. März 2011 2011-03-18 13:12:24