Privat vor Staat mal ganz anders
"Wie viel musst Du eigentlich trinken, damit du das nicht mehr
bringst?", ist die Frage Mariannes, seiner Ehefrau, als Dr. Georg Glabrecht
auf dem Teppich des Wohnzimmers einmal wieder zum Vollzug geschritten war. Und
so neckisch, wie es klingt, meint es Marianne gar nicht, den sie hat
fortwährend das Gefühl, dass ihr Gatte, Wirtschaftssenator in Bremen und
rührig auf allen Ebenen, nichtunbedingt sie persönlich meinte mit diesem
überbordenden Akt der sexuellen Entlastung. Was sein könnte, bedenkt man
Adriana mit, eine Frau, die er letztlich in Ausübung seiner politischen Pflicht
kennenlernte. In diesem Satz steckt aber auch viel von der Gesamtpersönlichkeit
des Glabrecht, denn die sexuelle Seite des Lebens hat durchaus hohe Bedeutung.
Mehr zumindest, als seine eigentliche Hauptaufgabe.
Georg Glabrecht hat eben noch "Pfiff", wie er es nennt. Da kommt es
ihm gerade recht, dass ein städtebauliches Großprojekt in Bremen verwirklicht
werden soll. Eine Oper soll es sein (ein Schelm, wer dabei nach Hamburg schielt
und dort die Philharmonie in den Blick bekommt, die ihm auch in der Zeitung des
Buchcovers in den Blick springt).
Und schon rollt der Laden des Wirtschaftssenators, der allzu lange bereits nur
dem langweiligen Alltag gefrönt hatte. Eifrig wird gewuselt auf der Suche nach
Investoren und, hier wird das Buch durchaus böse, auf der Suche nach den
eigenen Vorteilen in Form von Geld, Beziehungen, oder eben anregenden
Begegnungen der sexuellen Art. Die eigentliche Aufgabe, ein Großprojekt solide
und seriös zu gestalten, interessiert dabei erheblich weniger, als das eigene
Leben möglichst noch ein wenig angenehmer und schöner zu gestalten.
Erschreckend deutlich gelingt es Schömel, aufzuzeigen, wie wenig Substanz doch
hinter manch glatter Politikerfassade zu finden ist. Wie sehr ein nach außen
stringent und souverän wirkender Politiker letztlich nur mit sich und seinen,
mit Verlaub, kleinen bis kleinsten Lebensthemen bereits ausgefüllt und
ausgelastet ist. Was das eigene Amt angeht, da werden die Rahmenbedingungen nur
auf die eigenen Vorteile hin abgeklopft.
Wolfgang Schömel selbst kann noch so oft betonen, dass es ihm immer nur um das
Psychogramm eines Menschen geht, ganz glaubt man es dennoch nicht. Zu
offensichtlich sind die Parallelen nicht nur zur Elbphilharmonie. Der gesamte
politische Ablauf, das Denken der Handlenden, die Egozentrik der Macht, die
Kleinmütigkeit des eigenen Vorteils im ganz direkten Sinne, Geld und Sex, all
das wirkt durchaus real und bei weitem nicht an den Haaren herbeigezogen. Der
Verdacht stellt sich ein, dass hier durchaus eine Person im Mittelpunkt des
Geschehens steht, die in dieser innern Form an so manchen Orten der politischen
Entscheidungen anzutreffen sein würde.
So können durchaus bei den nächsten, glatten, nichtssagenden politischen
Statements Parallelen zu einem Dr. Georg Glabrecht aus Bremen gezogen werden.
Fazit
Aufschlussreich zu lesen, mit Humor geschrieben, fast bekommt man Mitleid mit
Glabrecht, zum Glück aber nur fast, in seiner innern Haltung, ohne jedes
Innehalten seine persönlichen Befindlichkeiten auf Kosten der Allgemeinheit zum
wichtigsten Thema seiner Tätigkeit zu machen. Ein durchaus empfehlenswertes
Buch.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 18. März 2011 2011-03-18 12:53:41