Direkt vor Aleas Augen läuft die Crucis, ein ungewöhnlich altes Segelschiff in
den Hamburger Hafen ein. An Bord die Brüder Ben und Sammy und die
dunkelhäutige Tess, deren Piratenseele schon bald zu Tage treten wird. Alea
befindet sich zu Beginn der Sommerferien in einer schwierigen Situation; denn
ihre Pflegemutter Marianne hat gerade einen Herzinfarkt erlitten. Alea fürchtet
die Veränderung durch eine neue Pflegefamilie. Weil es Marianne gesundheitlich
nicht gut geht, gibt sie ihrer Pflegetochter einen wichtigen Tipp für die Suche
nach Aleas leiblicher Mutter. Äußerlich wirkt Alea freakig, mit Boots, Mütze
und zahlreichen Ketten versucht sie davon abzulenken, dass sie niemals ihre
Handschuhe ablegt. Flippig ist nicht so schlimm wie krank, denkt Alea, und hat
ihre Hautkrankheit bisher gut verborgen. Mit Schirm und Kappe hält sie kaltes
Wasser von sich fern, vermeidet kaltes Wasser als Getränk, indem sie aus ihrer
eigenen Thermosflasche trinkt.
Die Zwölfjährige fällt sofort Skipper Ben auf, der sie für eine Ausreißerin
hält und mit an Bord nehmen will. Von Aleas Wasserproblem kann der Skipper und
Anführer der kleinen Truppe von Straßenmusikanten nichts ahnen. Trotz der
täglichen Arbeit an Bord der Crucis und ihrer Arbeit als Straßenmusiker
genießen die Kinder ihr Leben ganz ohne Erwachsene. Oskar, der Onkel der
Brüder, von dem Ben als Seemann angelernt wurde, lebt zeitweilig in einem
tibetischen Kloster. Da Ben und Sammy bisher an Bord vom Onkel unterrichtet
wurden, vermisst niemand die Jungen. Mit einiger Umsicht haben sie bisher
verbergen können, dass sie allein mit dem alten Segelboot unterwegs sind. Auch
Tess ist daran interessiert, kein Aufsehen zu erregen. Sie nutzt ein
Kommunikationsloch zwischen Erwachsenen aus; ihre Eltern wissen nichts vom
Abenteuer ihrer Tochter. Schockierend für Alea stellt sich heraus, dass ihre
Gesundheitsprobleme die Wachstumsschmerzen eines Meereswesens gewesen sind. Im
Kontakt mit Wasser verfügt sie über ungewöhnliche Kräfte und kann im Wasser
auf die Hilfe von Meeresbewohnern zählen. Auf ihrer Reiseroute durch die
Nordsee in die Niederlande stellt sich - neben dem Zusammenleben an Bord - Alea
ein ganzes Bündel von Problemen: sie will herausbekommen, warum ihre leibliche
Mutter sie als Baby einer Fremden in Pflege gab, sie muss sich an ihre magischen
Fähigkeiten gewöhnen und ihre Ängste um Mariannes und ihre eigene Zukunft
überwinden.
Eine Kindergruppe, die nach Lust und Laune durch die Welt reist und ihre
Probleme ohne Einmischung Erwachsener löst, ist in der Abenteuerliteratur für
junge Leser ein dankbarer Stoff. Für Leser ab 10 Jahren finde ich die
Selbstständigkeit der Figuren durchaus herausfordernd, den achtzehnjährigen
Ben für sein Alter etwas zu reif und umsichtig. Auch ohne das abgegriffene
Klischee eines Jugendamtes, das Kinder unvorbereitet in neue Pflegefamilien
verpflanzt, hätte die in der Ferienzeit spielende Geschichte m. A.
funktioniert.
Fazit
Im Fahrwasser der erfolgreichen Meerjungfrauenwelle verknüpft Tanya Stewner im
Auftaktband ihrer Serie um Alea in zahlreichen Handlungsfäden die Spurensuche
ihrer Protagonistin, phantastische Momente und aktuelle Umweltprobleme.
Sprachlich bleibt in nautischen Fragen und in der Darstellung von Emotionen für
die Folgebände noch Luft nach oben. Jungen Lesern, die der komplexen Handlung
und Aleas Sorgen im realen Leben folgen können, ist auch ein anspruchsvollerer
Wortschatz zuzumuten. Eine zur Jahreszeit passende Ferienlektüre.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 09. August 2015 2015-08-09 18:21:19