Fundierter und kompetenter methodischer Leitfaden
Respekt vor den Persönlichkeiten und individuellen Ausrichtungen der Lernenden,
eine didaktische Begleitung und didaktische Nutzung aller vorhandenen Prozesse
in der Gruppe, Teilnehmer überzeugen, nicht überreden und die Förderung des
Lernprozesses bestmöglich auf den Weg zu bringen. Dass sind die
Grundvoraussetzungen und -Überlegungen, die die Basis der vielfältigen
methodischen Hinweise, praktischen Beispiele, Interventionsmöglichkeiten und
Anregungen zur eigenen Reflektion durch Wolf-Peter Szepansky grundlegend
bedingen.
Nicht nur vielfältige Methoden und Interventionsmöglichkeiten bietet er auf
diesem Weg an, er verzichtet auch auf jede Form der dogmatischen Postulierung
einer konkreten Methode als der einzig möglichen, sondern schöpft aus einer
Vielzahl methodischer Ansätze der Leitung von Lernprozessen in Gruppen.
Für jeden in diesem Bereich tätigen Dozenten, Seminarleiter, Coach oder
Supervisor ist das Buch gerade durch diese Offenheit, zusammen mit dem starken
Praxisbezug, ein wirklicher Gewinn.
Allein schon im Blick auf den berühmten Satz "Störungen haben
Vorrang" und der damit einhergehenden Intention, dass auch durch Störungen
positive Impulse für den Prozess vorliegen, gleichzeitig aber auch das Wissen
darum, wie oft dieser Satz bei Seminarleitern ein reines Lippenbekenntnis eines
zusammengekniffenen Mundes ist, eröffnet die konstruktiven Möglichkeiten
gerade zu diesem Thema im Buch. Alternative Handlungsvorschläge, ein immer
anbietender, nie dozierender Tonfall im Buch und eine spürbare Kompetenz und
Erfahrung des Autors machen es dem Leser leicht, den Einlassungen offen zu
begegnen, mit denen Szepansky ermuntern und befähigen will, mit Widerständen
konstruktiven Umgang zu pflegen. Selbst der Rückgriff auf tradierte und seit
Jahren bereits bekannte Schemata wie die Persönlichkeitseinordnungen von
Riemann wirken hier wieder frisch und stimmig in neue Zusammenhänge
eingebracht.
Ein ebenso wichtiger und im Buch auch breit angelegter Themenbereich widmet sich
der Frage der Erzeugung von Motivation. Wohl wissend (ein roter Faden, der sich
übrigens fast durch das ganze Buch hindurch zieht), dass eine gute Vorbereitung
und ein achtsamer Umgang gerade mit beginnenden Situationen vor oder innerhalb
eines Seminars vieles an später möglichen Komplikationen bereits im Vorfeld
entschärfen. Meinungen zu provozieren durch Polarisation, auf geeignete
Rahmenbedingungen achten, überraschende Spannungen durch z.B. Rätsel erzeugen
und, ganz allgemein, als Seminarleiter selber auf eine Methodenvielfalt wert
legen sind nur einige der kundigen und hilfreichen Angebote, die Szepansky in
reicher Fülle zur Verfügung stellt.
Selbst einfach erscheinende und oft in der Planung wenig beachtete
"Stolpersteine" können anhand des Buches reflektiert werden. Wer
möchte nicht gerne darauf vorbereitet sein, peinliche Situationen möglichst
konstruktiv meistern zu können? Wer ist als Seminarleiter nicht auch selbst
innerlich beunruhigt zunächst, wenn lange Schweigephasen eintreten und wie
wäre, je nach Konstellation der Gruppe, dann ein angemessener Umgang mit
solchen Situationen. Wieweit sind Konventionen und Strukturen notwendig für den
guten Start und damit einen guten Einstieg in ein Seminar, wo beginnen diese
Momente, eher hinderliche Kräfte zu entfalten?
Fazit
Eine Vielzahl von kleinen und großen Fragen, verdeckten und bekannten
Stolpersteinen werden durch Wolf-Peter Szepanski kompetent, verständlich, nah
an der Praxis und mit vielfältigen Angeboten zur Bewältigung im Sinne eines
konstruktiven Lernprozesses angesprochen und einer möglichen Bearbeitung
zugeführt. Dies, gepaart mit einer wohltuenden persönlichen Zurückhaltung des
Autors in Sprache und Stil, machen das Buch zu einem Gewinn für all jene, die
in verschiedensten Formen mit Gruppen arbeiten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. Februar 2011 2011-02-20 15:03:42