Der amerikanische Autor Richard Russo erzählt in diesem Roman eine auf den
ersten Blick unspektakuläre, stille Familiengeschichte. Es ist die einer
Familie aus dem amerikanischen Mittelstand, deren Leben in geregelten Bahnen
verläuft. Das Besondere und Fesselnde an diesem Buch ist die Erzählweise, mit
der Russo seine Leser in den Bann zieht. Dirk van Gunsteren, der den Roman aus
dem Amerikanischen ins Deutsche sehr treffend übertragen hat, wird seinen
besonderen Spaß daran gehabt haben. Die leichte Geschichte wird so amüsant und
humorvoll dargestellt, dass ich glaube, während der gesamten Lektüre mit einem
Lächeln auf dem Gesicht im Sessel gesessen zu haben. Lediglich wenn meine Frau
sich hin und wieder mir zuwandte, wusste ich, dass ich mit einem lauten Lacher
auf mich aufmerksam machte.
Der geschiedene Jack Griffin, seines Zeichens genau wie der Romanautor
Drehbuchschreiber in Hollywood, ist auf dem Weg zur Hochzeit der besten Freundin
seiner Tochter. Er weiß, dass es auf Cape Cod ein Wiedersehen mit seiner
Ex-Frau geben wird. Und er hat in seinem Kofferraum die Urne seines kürzlich
verstorbenen Vaters, dessen Asche er ins Meer streuen möchte, um dem letzten
Willen seines Vaters gerecht zu werden. Mit sich allein im Zwiegespräch, ab und
zu von einem Telefonanruf seiner Mutter unterbrochen, wird das Leben seiner
Eltern, seiner Familie und sein eigenes erzählt. Spießig und kleinbürgerlich
kam es ihm immer vor, ein Leben, welches er so nie führen wollte. Sein Streben
war der Ausbruch aus der kleinbürgerlichen Welt, weg von der Mutter, die in
seiner Erinnerung nie ein freundliches Wort gesagt hatte. Dazu wird es erst viel
später ein einziges Mal kurz vor ihrem eigenen Tode kommen. Doch jetzt kann
sich Griffin, hin- und hergerissen von seinen Gedanken, nicht für einen Ort am
Ufer entscheiden, welcher der Asche seines Vaters angemessen erscheint.
So trifft der Leser Griffin ein Jahr später erneut auf einem Weg zu einer
Hochzeit wieder. Dieses Mal ist es die seiner Tochter. Dieses Mal hat er zwei
Urnen in seinem Kofferraum. Seine Mutter, die im vergangenen Jahr verstarb,
hatte gewollt, ebenso im Meer verstreut zu werden. Aber keinesfalls auf der
gleichen Seite der Meeresbucht, nie und nimmer in der Nähe ihres Mannes.
Die Leichtigkeit und der Humor sind dem Pulitzer-Preisträger wahrscheinlich
seinen Erfahrungen beim Schreiben von Komödien-Drehbüchern zu verdanken. Einen
gehörigen Anteil daran hat meines Erachtens auch der o. g. Übersetzer, der die
typisch amerikanischen Sequenzen geschickt und gleichermaßen humorvoll ins
Deutsche übertragen hat.
Als es um die Beziehung von Griffins Frau zu dessen Mutter geht, heißt es:
"In den ersten zehn Jahren hatte sich die arme Joy (Griffins Frau - Anm.
der Red.) bemüht, ihre Schwiegermutter dazu zu bringen, ihr Urteil (über Joy
- Anm. der Red.) zu revidieren, in den darauffolgenden zehn Jahren hatte sie
versucht zu ergründen, warum dies nicht geschah, und im dritten Jahrzehnt
schließlich tat sie, als wäre es ihr gleichgültig. In letzter Zeit schien sie
geneigt, sich eine neue, geheime Telefonnummer zuteilen zu lassen. In den
Flitterwochen machte sie Griffin unabsichtlich ein Kompliment, indem sie ihn
fragte, ob er adoptiert worden sei."
Ein anderes Mal wird der Vater Griffins folgendermaßen charakterisiert:
"Sein Vater spezialisierte sich auf Heckzusammenstöße auf dem Parkplatz
von Lebensmittelläden und Einkaufszentren. Alle diese Unfälle geschahen ohne
jede Vorwarnung. Das erste Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, war der
Aufprall selbst, gefolgt vom Kreischen sich verformenden Metalls, dem Klirren
von Glas und einem Augenblick tiefer Stille, bevor sein Vater in den
Rückspiegel sah und sagte: "Wo kam der denn jetzt her?" Als Kind war
Griffin bei den meisten Unfällen dabei gewesen, seines Wissens nie
angeschnallt, und er erinnerte sich, dass er oft einen steifen Hals gehabt
hatte."
Doch nun genug mit den Zitaten, schließlich soll an dieser Stelle nicht das
gesamte Buch abgeschrieben werden, was dank der zahlreichen köstlichen Szenen
schnell geschehen könnte. Bleiben abschließend nur die Fragen, ob Griffin es
tatsächlich geschafft hat, sein Leben anders zu gestalten als seine Eltern und
was es eigentlich bedeutet, Familie zu haben?
Fazit
Topempfehlenswert für alle, die humorvolle Geschichten lieben und über die es
sich dennoch lohnt nachzudenken.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 12. Februar 2011 2011-02-12 10:38:55