Poetische Schönheit
In wunderschöner, poetisch und bildreich fließender Sprache lässt
Marie-Sabine Roger ihren Protagonisten Germain in der Ich-Form Kapitel für
Kapitel seine intensive und anrührende Geschichte erzählen. Er, der bereits im
ersten Satz verkündet, dass er seine 86jährige Freundin Margueritte zu
adoptieren gedenkt, denn die Zeit ist knapp, alte Leute sterben gern.
Groß, massig, ungebildet, keineswegs aber grobschlächtig, dennoch unbeholfen
durch sein Leben sich durchschlagend, lebt er im Garten seiner Mutter, in einem
verfallendem Wohnwagen. Gelegenheitsjobs bringen ein wenig Geld, Schule und
Bildung fehlen in seinem Leben, doch eine Liebe hat er gefunden, den Garten, den
er hegt und pflegt. Und ein wenig noch zu Annette, wobei sich diese Zuneigung
eher auf der körperlichen Ebene erschöpft. Ansonsten verstreichen seine
Lebenstage, einer wie der andere, im einerlei der Stunden.
Bei einem Besuch im Park trifft er Margueritte, die alte Dame. Lesend,
kultiviert, gebildet. Nicht lange dauert es, und eine seltsame, kaum passende,
dennoch innige Freundschaft entsteht, in deren Verlauf Margueritte es sich zur
Aufgabe macht, Germain mit der Welt der Wörter vertraut zu machen. Erst mit
einfachen Worten, dann mehr und mehr mit der Schönheit der Literatur.
Margaruitte wird Germains erste, wirkliche Freundin. Die erste Person, auf die
er trifft, die ihn als Menschen tatsächlich ernst nimmt und damit in dem
grobschlächtigen Mann den seelischen Kern berührt und zur Entfaltung
führt,
Je weiter Germain, das riesige, fast dumme Kind im Körper eines Mannes, sich
diese Welt erschließt, desto mehr beginnt er, auch innerlich zu wachsen. Fragen
tauchen auf über sein Leben, das Leben an sich, den Sinn von allem. Sein
vormals eindimensionales Leben nimmt innere Formen und Entwicklungen an, leichte
rund leichter fällt es ihm, sich Wissen anzueignen und die Welt, in der er lebt
mit all ihren Schattierungen wahrzunehmen, den Rissen und dem Rost, aber auch
den Schönheiten des Lebens.
Wie wird sich sein Leben und seine Haltung durch all dieses neue Wissen und
Erkennen verändern? Wie reagiert er nun auf die lebenslange Distanz seiner
Mutter zu ihm? Und was wird passieren, als er erfährt, das Margaruitte ein
schwerwiegendes Problem hat. Ist das nicht die Gelegenheit, seiner alten
Freundin ein wenig von dem zurück zu geben, was er an Gutem durch sie erfahren
hat?
Fazit
Mit feinfühliger Sprache und großer Leichtigkeit erzählt Marie-Sabine Roger
diese zauberhafte Geschichte einer ungleichen Freundschaft und einer
menschlichen Entwicklung.
Das Worte Menschen verändern können, zu ihrer Entfaltung verhelfen, dass es
zunächst nicht einfach ist, sich durch das Labyrinth der unzähligen Wörter
dieser Welt einen Weg zu bahnen, dann aber die Früchte dieser Anstrengung mehr
und mehr geerntet werden können, dass ist eine Quintessenz dieses Buches. Eine
Essenz, die Roger ebenso erzählt, wie sie selber das Buch in ihrer wunderbaren
sprachlichen Form erlebbar gestaltet. Ebenso, wie es ihr gelingt, die emotionale
Ebene des Lesers in den Bann zu ziehen und dieser anrührenden Geschichte am
liebsten in einem Zug zu folgen.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 30. Januar 2011 2011-01-30 17:45:05