Licht und Schatten
Ein hochaktuelles und brisantes Thema hat Mikael Bergstrand ins einem Krimi
verarbeitet und dies mit Licht und Schatten, was das Buch angeht.
Migration, Integrationsproblematik, marodierende und gewalttätige Banden
jugendlicher Migranten einerseits, Versuche der Integration und gelungene
Integration (bei der Hauptperson des Romans) andererseits und zu guter Letzt
gewaltbereite, vordergründig sich "nur wehrende" "Rächer"
andererseits, bei denen allerdings noch das ein oder andere zu Anfang verdeckte
Motiv durchaus mitschwingt.
Leyla Abdalla ist ein Musterbeispiel gelungener Integration, studierte
Journalistin, die durchaus nun Anfangserfolge in ihrem Beruf nachzuweisen hat.
Ihr neuestes Projekt, gemeinsam mit einem ihr unfreundlich gegenüber
eingestellten Kollegen ist die zunehmende Jugendkriminalität mit
Migrationshintergrund in Malmös Problemviertel Nr. 1. Eine Kriminalität, der
sich eine Gruppe selbsternannter, ebenfalls jugendlicher "Rächer"
entgegenstellt, die vordergründig Rache für konkret begangene
"Untaten" nimmt. An der Spitze der "Rächer" findet sich der
schon ältere, knapp 30jährige Arved, der mit besten Verbindungen ausgestattet
zu sein scheint und durch rhetorisch geschickte Ansprachen Jugendliche zu
Instrumenten der Rache zu formen gedenkt.
Wer aber sind denn jene guten Verbindungen? Je weiter Layla in die Probleme des
Viertels eindringt, desto deutlicher wird ihr, dass hier beileibe nicht nur
fehlgeleitete Jugendliche aller Seiten ihre Kämpfe austragen, sondern dass
durchaus gewichtige Interessen sich diese Jugendlichen zu Nutze machen. Eine
Verbindung, die auch zum Mord bereit ist. Je mehr nun Layla die Hintergründe
beginnt, aufzudecken, desto mehr gerät sie selber in Gefahr und in den Fokus
der "Rächer".
Einerseits ist das Buch ein durchaus geschickt konstruierter Kriminalroman mit
überraschenden Wendungen und mehreren Überraschungsmomenten zum Ende hin, die
aufzeigen, dass einige der Protagonisten ein doppeltes Spiel betreiben.
Andererseits wirkt das Buch phasenweise wie eine sozialpädagogische und
amateurpsychologische Studie. Ausufernde Dialoge, die in Teilen doch arg
künstlich wirken wollen hier einerseits das Innenleben der eher stereotyp
gehaltenen "Fronten" im Blick auf die Migration darstellen,
Erläuterungen und Blicke auf Hintergründe das Ganze dann im gesellschaftlichen
Rahmen verständlich gestalten. Hier kratzt Bergstrand aber letztendlich nur an
der Oberfläche und bringt nur allgemein sattsam diskutierte Erklärungsmuster
zur Sprache. Zudem tauchen gerade in jenen Passagen auch Längen auf, die der
Spannungskurve des Buches selber eher abträglich sind.
Es dauert lange, fast bis in die Mitte des Buches hinein, bis wirklich Bewegung
hineinkommt und die verschiedenen Parteien und Protagonisten in ihrer
persönlichen Geschichte und den inneren Motivationen sattsam vorgestellt sind.
Zu breit vorgestellt sind. Dem "Mini Hitler" Arved nimmt man seinen
tiefen Einfluss auf die Jugendlichen nicht wirklich ab, zu gekünstelt sind
seine Monologe in Sprache und Stil angelegt.
Gut gelungen wiederum die Darstellung der jugendlichen Migranten in den
verschiedenen Lebenssituationen, die sich auch in der sprachlichen Darstellung
durch Bergstrand gut differenziert darstellen. Es gelingt dem Autor mit dieser
Form, die Funktion von cooler Sprache für den Status in der Gruppe hervorragend
auszuarbeiten.
Auch der dann in Schwung kommende Spannungsanteil des Buches versöhnt im
zweiten Teil mit einigen Längen des ersten Teiles und nimmt den Leser mitten
hinein in diese Parallelwelt, die an fast allen Orten Europas intensiv
diskutiert wird.
Fazit
Ein gut konstruierter Krimi mit einigen sprachlichen Längen und zu breiter
Darstellung vermeintlicher Hintergründe gesellschaftlicher Problematiken, der
allerdings im Gesamten das Problem der Migration, der Ghettoisierung und der
zunehmenden Aggression aller Seiten letztlich gelungen aufnimmt und verarbeitet.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 29. Januar 2011 2011-01-29 11:39:08