Die 85-jährige Maria Dolors hat durch einen Schlaganfall die Sprache verloren
und lebt nun in der Familie ihrer Tochter Leonor. Dolors Beine machen noch mit,
die Hände zittern zwar, aber das Stricken klappt wunderbar. Wer nicht spricht
und konzentriert Maschen zählt, registriert wohl auch nicht mehr, was um ihn
herum geschieht, scheinen Tochter, Schwiegersohn und Enkelkinder zu glauben. Die
alte Dame hört jedoch ganz ausgezeichnet. Während Dolors für ihre Enkelin
einen Traum von einem gemusterten Pullover in drei Farben strickt, kann sie kaum
überhören, was in der Wohnung vorgeht. Jeder hat hier etwas zu verbergen.
Dolors Gedanken schweifen zurück in ihre Jugend - auch sie musste ein Geheimnis
bewahren. Die ungewöhnliche Geschichte einer wissensdurstigen jungen Frau
entfaltet sich. Beim Zählen der Maschen wird Dolors bewusst, dass ihre Enkelin
Sandra viel zu dünn ist und dass Sandras Mutter davon offensichtlich nichts
mitbekommt. Die große Liebe, Reue, Lügen, jugendliche Naivität - es sind die
ganz großen Themen, über die Dolors beim Stricken nachdenkt. Sandras
Magersucht allein hätte schon eindringlich gezeigt, wie die Mitglieder dieser
Familie aneinander vorbei leben. Leider übertreibt Blanca Busquets es mit den
Problemen, indem sie jedem der vier Familienmitglieder eine existenzielle Krise
verpasst. Dolors ungewöhnliches Leben und ihre respektlosen Urteile über
Tochter und Schwiegersohn allein hätten einen amüsanten Familienroman ergeben,
der durch die Konzentration persönlicher Krisen unnötig überladen wirkt.
Fazit
Trotz meiner Kritik an der Problem-Überladung der Handlung ein berührender
Familienroman mit überraschenden Wendungen und einem ungewöhnlichen Schluss.
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 26. Januar 2011 2011-01-26 18:14:21