In "Picknick auf dem Eis" geht es um die Auseinandersetzung des
Protagonisten, des arbeitslosen Journalisten und Dichters Viktor mit der Mafia
und ihren Praktiken. Viktor wird von dem Chefredakteur der Kiewer
"Hauptstadtnachrichten" angeheuert, um Nachrufe auf noch lebende
Personen zu schreiben. Sobald Viktor den Nekrolog geschrieben und das Manuskript
abgegeben hat, stirbt die Person auch in Wirklichkeit - Viktors Texte landen
also nicht in der Schublade, sondern werden publiziert. Seine
Veröffentlichungen (Gunhild Kübler betitelte ihre Besprechung des Buches
bezeichnenderweise mit dem Titel: "Bei Nachruf Mord") werden gelobt
und Zweifel darüber, ob der Preis für den "Erfolg" nicht zu hoch
sind, werden mit dem Hinweis zerstreut, daß schließlich jeder mal sterben
müsse. Doch Viktor lernt sehr schnell, dass es besser ist, sich nicht
einzumischen und sich nur um seine eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Bis
eines Tages ein Nekrolog auf ihn selbst geschrieben wird....
Es handelt sich hierbei um eine Mischung von Kriminalroman, Thriller und
Familiengeschichte mit einer witzigen Nebenfigur: einem Pinguin namens Mischa.
Dieser ist Viktors Begleiter, seit der örtliche Zoo begann, seine Tiere zu
verschenken, als er sie nicht mehr ernähren konnte. Viktor hat sich Mischa
zugelegt, um nicht alleine und einsam zu sein. Doch eines Tages steht sein
Bekannter Mischa mit seiner Tochter Sonja vor der Tür. Um ihn von dem anderen
Mischa, dem Pinguin, zu unterscheiden, heißt er Mischa-Nicht-Pinguin. Nur für
ein paar Tage, so beschwört er Viktor, soll seine vierjährige Tochter Sonja
bei ihm wohnen. Aus den Tagen werden Wochen und Monate, bis Viktor von
Mischa-Nicht-Pinguins Ableben erfährt, einem unnatürlichen Ableben,
selbstverständlich. Dafür muß der andere Mischa einspringen: der Pinguin: ihn
benötigt die Mafia als Trauergast für Begräbnisse und zahlt pro
"Ausflug" 1000 Dollar an Viktor. Doch dieser bleibt stoisch-gelassen,
auch als sich die Gewitterwolken immer mehr um sein eigenes Haupt
zusammenziehen... "Was früher etwas Schreckliches gewesen war, war jetzt
zur Alltäglichkeit geworden. Das heißt, die Leute nahmen es als Norm an, um
sich nicht überflüssigerweise aufzuregen, und lebten einfach weiter". Das
Buch ist eine bittere Satire auf die von Armut und Korruption geprägte
postsowjetische Gesellschaft: "man möchte bloß überleben, c’est
tout". Matthias Matussek schreibt zu recht im "Spiegel": "
All das ist mit nahezu unbewegtem, traurigem Pinguinblick gesehen, behutsam
geschrieben, leise wie der stets fallende Schnee und damit um so eindringlicher.
Ja, die lebensgefährlichen Turbulenzen finden an der Peripherie dieses Blicks
statt, am äußersten Rande des Erzählstroms."
Fazit
Ein wunderbares, komisches und zugleich zutiefst melancholisches Buch, wie ich
finde, welches trotz seiner fast 300 Seiten schnell und leicht zu lesen ist.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 11. August 2003 2003-08-11 12:49:11