Sprachliches Ereignis
Das Genre des Kriminalromans mit immer neuen, überraschenden Fällen zu
füttern ist nach mehr als hundert Jahren der verschiedensten Autoren und Sujets
sicherlich kaum mehr möglich. So ist auch dieser Fall nicht unbedingt eine ganz
neue Wendung und Überraschung im Krimi gegenwärtiger Tage, allerdings durchaus
logisch aufgebaut (trotz einiger doch sehr konstruiert wirkender Verflechtungen
im Buch) und spannend genug, sich Seite für Seit der Auflösung am Ende des
Buches zu nähern. Wobei, für den, der aufmerksam liest, der Täter letztlich
keine Überraschung darstellen wird, durchaus aber das ein oder andere Motiv
nicht unbedingt vordergründig mitschwingt.
Eine junge Frau, ein Mädchen fast noch, stirbt auf der Autobahn. Schnell stellt
sich für die ermittelnden Beamten, Oberkommissarin Franza und Oberkommissar
Herz, heraus, dass hier kein Unfall vorliegt, Spuren auf der nahegelegenen
Raststätte und eine Zeugenbeobachtung weisen eindeutig darauf hin, dass ein
unbekannter Fahrer in einem unbekannten Kfz beteiligt war, wenn auch der
Unfallfahrer selbst nur durch Zufall in diese dramatische Situation mit
hineingeriet. Mühsam sind die Wege der ersten Recherchen, bis überhaupt klar
wird, wer die Tote ist. Auch das dann mitteilsame Umfeld im Form der Mutter,
Freundinnen, einer Sozialarbeitern lassen die Ermittler zunächst vielfach im
Dunkeln tappen. Die einzige Spur ist die allseits genante Verliebtheit des
Mädchen in einen großen Unbekannten. Wäre hier der Täter zu finden?
Zeitgleich wird der Leser in einen zweiten Handlungsstrang, auch im Druckstil
kursiv gesetzt, eingeführt. Ben liebt Marie, mit tiefer, kaum auszuhaltender
Sehnsucht, doch immer wieder entzieht sich Marie ein Stück. Ist Marie die Tote?
Ist Ben der Täter? Immerhin ist der Leser den Ermittlern durch die
Parallelgeschichte um einiges voraus und ahnt bald, dass Ben und Marie zumindest
eng mit dem Tötungsdelikt auf der Autobahn zu tun haben werden.
Was das Debüt der Autorin im Blick auf Bücher für Erwachsene anders sein
lässt und durchaus aus dem Rahmen üblicher Kriminalromane nimmt, ist zum einen
die sprachliche Fertigkeit und Form der Autorin, zum anderen die
Charakterisierung der Protagonisten. Sprachlich bilderreich, assoziativ,
Gedankenschnipseln folgend, kaum mit ausgefeilten Sätzen, eher in poetischer
den nüchternen Sprache stellt sich nach anfänglichem Befremden doch ein
andersartiger, mitnehmender Lesefluss ein, der die eigenen Assoziationen stark
freisetzt und mit der direkten und klaren Sprache verbunden wirklich mit in die
Geschichte hinein zu nehmen versteht.
Eine Geschichte, die zudem geprägt wird von Protagonisten, die durch die Bank
mehrschichtig angelegt sind. Sie es der zum vierten Mal Vater werdende
Oberkommissar Herz, der sich pflichtschuldig freut, im Stillen sich aber
durchaus von seiner Frau wie ein Zuchtbulle behandelt fühlt, denn wirklich
etwas zu sagen hat er nicht bei der Familienplanung. Sei es Oberkomissarin
Franza, verheiratet, voll motiviert bei ihren Fällen, die innerlich allerdings
eine hohe Energie aufbringen muss, um sich ihrer Arbeit immer wieder neu
zuwenden zu können, die eine Sehnsucht nach dem Meer und der Freiheit in sich
trägt, die sie in heimlichen Stelldicheins mit dem Kunstschaffenden Port
auslebt, intensiv auslebt, natürlich ohne Wissen ihres Mannes. Sei es das Opfer
selbst, dass im Leben nicht so unschuldig und zerbrechlich lebte, wie sie als
tote wirkt, sondern durchaus für Geld so einiges bereit war, zu tun. Sei es
allein schon der Unglücksfahrer, der nun sein Alibi zusammenbrechen sieht.
Seine Frau wird nun merken, dass er nicht auf Geschäftsreise war, sondern eher
bei seiner Geliebten im Nachbarort.
Fazit
Helden, ungebrochene Sympathieträger findet man somit nicht in diesem Buch,
wohl aber eine düstere Atmosphäre, Menschen mit Brüchen und dennoch dem
Versuch, ihren Weg zu finden und zu gehen, leidenschaftliche Obsessionen. Und
das in einer ganz anderen, ungewohnten sprachlichen Form. Sicher hier und da ein
wenig überkonstruiert, dennoch aber lesenswert.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 19. Januar 2011 2011-01-19 20:25:35