Das vorliegende Werk von Jacques Lusseyran gehört zu meinen Lieblingsbüchern.
Es behandelt die Lebensgeschichte des Autors, der durch einen frühen Unfall im
Kindesalter erblindete und nun eine neue "Welt" erlebt: das
"wiedergefundene Licht." Die Beschreibungen seiner Welt sind plastisch
gehalten und dürften blinden Personen Hoffnung geben. Doch nicht nur dies -
auch sein weiteres Leben beschreibt der Autor spannender wie einen Krimi: er
arbeitet in der Résistance mit und wird durch Verrat verhaftet, ins
Konzentrationslager Buchenwald verschleppt und 1945 - sozusagen in letzter
Minute - von den Amerikanern befreit. Und hier kommt die Stelle, die mich so
sehr beeindruckt hat: als Blinder hat Lusseyran gelernt, auf seine anderen
"Sinnesorganen" zu achten und sich auf sein "Gefühl",
seinen "Instinkt" zu verlassen. So wird er immer bei Neuaufnahmen in
der Résistance befragt und sein Urteil entscheidet, ob ein Mitglied neu
aufgenommen oder abgelehnt wird - um die Einschleusung eines Spiones zu
verhindern. Eines Tages wird ihm ein Mann vorgeführt, vor dem ihm seine
Sinnesorgane deutlich "warnen"; sein Instinkt rät zur Ablehnung.
Lusseyran beschreibt anschaulich den Zwiespalt der Gefühle, dem er sich durch
diese Entscheidung ausgesetzt sieht. Er wird sich über diesen Menschen nicht
klar; Stimme und Händedruck "harmonieren" nicht. Lusseyran äußert
daher Bedenken gegen die Aufnahme der ihm vorgestellten Person in die Gruppe.
Doch die anderen Mitglieder der Résistance raten eindringlich zur Aufnahme des
neuen, durch sein Organisationstalent beeindruckenden, Mannes: er könne der
Résistance durch seine Fähigkeiten unschätzbare Dienste leisten. Lusseyran
gibt nach, der Mann wird aufgenommen und... entpuppt sich als Verräter, der die
Widerstandsgruppe auffliegen lässt.Nie zuvor wurde mir deutlich, wie Blinde mit
ihrem Schicksal fertig werden. Lusseyran hat diese Tatsache jedoch in seinem
eindringlichen und eindrucksvollen Werk aufgezeigt; er macht deutlich, dass
trotz des Verlustes der Sehfähigkeit sich diesen Personen eine neue Welt
erschließen kann und diese Personen durchaus ihr Leben meistern - und sogar
lernen können, das Leben mit neuem Mut anzugehen. Die Menschenkenntnis des
Autors, die durch einen "Zugewinn" der restlichen "Sinne",
gewonnen wurde, hat mir gezeigt, wie wichtig es im Leben ist, auf seine
"innere" Stimme zu hören.Wunderbar ist die plastische Beschreibung
der neuen Situation und die bildhafte Darstellung dessen, was sich im Innern des
Autors, abspielt: er findet, obwohl äußerlich blind, das Licht wieder.
Darüber berichtet Lusseyran ausführlich und gibt so meines Erachtens Blinden
Hoffnung und Trost. Und dies ist für mich das Faszinierende an diesem Buch.
Fazit
Ein eindrucksvolles Buch. Äußerst lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 08. August 2003 2003-08-08 21:05:01