"Und oben saß ein Rabe" ist ein witziger und unterhaltsamer
Kriminalroman von Gisbert Haefs. Hauptfigur aller Krimis des Autors ist sein
Alter-Ego, der verfressene und äußerst korpulente Hobbydetektiv Balthasar
Matzbach (ein Nero-Wolfe-Verschnitt?), der in diesem seinem bekanntesten Fall
den Mord an einem Rechtsanwalt und seiner Geliebten klären muss. Andreas
Goldberg, Ex-Mann der Geliebten, gerät unter Mordverdacht. "Andreas
besitzt einen alten, räudigen Raben. Dieser flucht und ißt gern Kaviar mit
Marmelade oder Erdbeertörtchen mit Senf." Baltasar strahlte. "Ein
erfreuliches Tier. Fast neige ich dazu, an die Unschuld dieses Mister Goldberg
zu glauben. Hast du noch etwas dazu zu sagen?" Moritz nickte triumphierend.
"Ja. Der räudige Rabe heißt Poe." Baltasar atmete tief durch.
"Alles klar, dann ist Goldberg unschuldig".
Wie dieses Zitat aus dem Roman deutlich macht, besticht dieser Fall durch
Wortwitz und Schlagfertigkeit der Hauptfigur, des
"Universaldilettanten" Matzbach. Er ist - wie sein Autor - ein
Liebhaber des grossen Argentiniers Borges. Tatsächlich gelingt es ihm, anhand
seines Werkes dem wahren Täter auf die Spur zu kommen. Dabei kommen er und sein
unermüdlicher Helfer, der arbeitslose Philosoph Henry Hoff, mit einer obskuren
"Gesellschaft zur Stärkung der Verben e. V." in Verbindung.
Die Charaktere sind lebensecht gezeichnet, ein "Muß" für Freunde
subtiler Ironie. Wie in guten Kriminalromanen üblich, verfolgen der Detektiv
und sein Helfer auch falsche Fährten. Scharfsinnig kommt Matzbach dennoch dem
wahren Mörder auf die Spur - und liefert sich mit diesem am Ende eine
aufregende actionreiche Verfolgungsjagd in St.-Peter-Ording. Leider ist gerade
das Ende etwas schwach geraten. Zu plötzlich erscheint mir der Umschwung von
geistiger Kombination und Auseinandersetzung mit dem Gegner in fernsehgerechte
Verfolgungsszenen aus purer Action. Darunter leidet meiner Meinung nach die
Glaubwürdigkeit des Romans. Das Ende hätte Haefs anders gestalten müssen und
die geistige Auseinandersetzung mit dem Täter auch am Schluß suchen müssen.
Dann hätte der Täter Selbstmord begehen können oder dergleichen. Leider
verfällt Haefs in die Verlockung, das Ende alternativ und für mich
unglaubwürdig zu gestalten. Daher vergebe ich "nur" acht Punkte.
Dieser Krimi gehört ansonsten zu meinen Top-Ten.
Fazit
Witzig, skurril und unbedingt lesenswert.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 09. August 2003 2003-08-09 15:51:52