Philosophische Grundfragen an ungewöhnlichen Orten
Was vor 20, 25 Jahren noch undenkbar gewesen wäre, findet im Lauf der letzten
Jahre durchaus seinen Platz im Rahmen der literarischen und allgemein
geisteswissenschaftlichen Auseinandersetzung.
Hätte in früheren Zeiten ein ernstzunehmender Geisteswissenschaftler
höchstens mit Geringschätzung, meist aber mit Abscheu auf die Vielzahl der
literarischen Veröffentlichungen im Bereich des Horror, Fantasy und
Gruselgenres geschaut, hat sich dieser Blick doch im Lauf der Zeit gewandelt.
Zudem ist das Genre durchaus ein wachsendes. In nicht nachlassender Weise
erscheinen regelmäßig neue Varianten der alten Themen menschlicher Angst und
menschlichen Schauderns, von Werwesen über Zombies bis hin zu Vampiren reicht
hier die Palette der ins Feld geworfener Untoter.
Eignet sich diese Form der Popkultur aber tatsächlich für eine ernsthafte,
seriöse Untersuchung in Form philosophischer Diskurse? Durchaus, wendet man
sich den Einlassungen der verschiedenen Autoren im Buch zu. Fragen wie die
menschliche Präsenz, die persönliche Identität und grundlegende Werte
reflektieren sich immer schon im Geschehen des Todes, naheliegend also, die
"Untoten" und die Fantasien über solche einer näheren Untersuchung
zu unterziehen. An ihnen kann durchaus entdeckt werden, was es heißen mag,
gegenteilig "am Leben" zu sein. Und ob es nicht so ist, dass sich in
den Texten des Genres durchaus auch reale Erscheinungen von Menschen
widerspiegeln, die aus welchen Gründen auch immer, aus Angst vor dem Leben, aus
handfesten Depressionen heraus oder im zwanghaften Dasein wenig wirklich
lebendig erscheinen, also "lebende Untote" sein könnten?
So erschließt sich auch der erste Teil des Buches in seinem ernsten Sinn. Es
lebt. Irgendwie. Larry Hauser wendet sich hier unter anderem in sehr ernsthafter
Form der Frage nach dem Verhältnis zwischen Körper und Geist zu und nutzt
hierfür die Gestalten von Zombies, betrachtet aber auch eingehend den Blade
Runner und die, im Film, geschaffene, künstliche Menschlichkeit, die doch
menschlicher erscheint als mancher der Protagonisten aus Fleisch und Blut. Was
also macht den Unterschied zwischen innerlich tot sein oder lebendig sein als
Mensch? Eine einfache Erklärung wird sich nicht finden.
In manches Mal durchaus lockerer Sprache, nicht immer wörtlich ernst zu nehmen,
wenden sich die verschiedenen Autoren doch mit Ernsthaftigkeit den Untoten zu
und nehmen diese in ihren filmischen oder literarischen Zusammenhängen durchaus
gedanklich als gegeben hin.
Robert Arp bringt dies auf den Punkt, indem er zunächst ernsthaft das
hedonistische Problem der Vampire benennt: Leben ohne wirklich zu fühlen und
damit ohne wirklich genießen zu können, dabei sich aber alles nehmen zu
können, was man möchte, wenn man doch nur etwas wirklich möchten würde. Eine
auslaugende, zur Schwermut führende Existenz, die er drastisch mit dem Bild
eines Junkies vergleicht, der, innerlich ausgehöhlt nur mehr die nächste Droge
im Sinn hat. Alles sich nehmen zu können, aber nichts wirklich zu wollen,
Durchaus ist dies auch das Problem so mancher übergefüllter Menschen, die
dennoch nicht wirklich satt werden im Leben.
Ein Buch, dass die Untoten verschiedener Ausrichtungen in den Mittelpunkt
rückt, diese fiktiven Gestalten in ihren Zusammenhängen ernst nimmt und im
Blick auf Fragen des Seinszustandes, der persönlichen Identität, der Ästhetik
und vieler anderer Teilfragen überprüft. Mit interessanten Ergebnissen, nicht
nur für den Vampir an sich, sondern in Assoziationsketten auch mit dem ganz
normalen Menschen.
Flüssig geschrieben, bei weitem aber keine Persiflage, aber auch kein Buch,
dass das Leben grundlegend verändern wird. Schön wäre es gewesen, wenn die
Verbindungslinien des Genres zu den tatsächlichen Grundfragen der realen Welt
deutlicher und klarer benannt worden wären. So verbleibt ein angenehmer
Leseeindruck mit mancherlei Assoziationen, aber keine wirklich klar benannte
Erkenntnis für die Welt der Lebenden.
Fazit
Flüssig geschrieben, bei weitem aber keine Persiflage, aber auch kein Buch,
dass das Leben grundlegend verändern wird. Schön wäre es gewesen, wenn die
Verbindungslinien des Genres zu den tatsächlichen Grundfragen der realen Welt
deutlicher und klarer benannt worden wären. So verbleibt ein angenehmer
Leseeindruck mit mancherlei Assoziationen, aber keine wirklich klar benannte
Erkenntnis für die Welt der Lebenden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 03. Dezember 2010 2010-12-03 13:16:00