Selbsternannter Erlöser
Helene Tungsten hat sich in den letzten 10 Jahren vermittels Ihrer Ermittlerin
Irene Huss eine beachtliche, treue Lesergemeinschaft erschlossen. Wie auch in
den vorhergehenden Fällen besticht der neue Fall für die Göteburger
Kriminalinspektorin durch eine intensive und empathische Skizzierung der
handelnden Figuren und einer logisch angelegten Handlung. Ebenso gehört es zu
den bekannten Markenzeichen von Helene Tursten, ihre Protagonisten nicht durch
breit angelegte Verfolgungsjagden (obwohl eine Verfolgung durchaus eine Rolle
spielen wird im Buch), Blutlachen oder einen Kugelhagel taumeln zu lassen,
sondern in eher alltäglicher Weise die Ermittlungen zu führen, sich manches
Mal eher von Zufällen leiten zu lassen und ganz zum Ende hin dann doch vor
überraschenden Enthüllungen zu stehen.
Die Geschichte dieses neuen Falles wird weitgehend aus der Perspektive der
Ermittlerin erzählt, einige Einschübe von Texten des Täters helfen dem Leser
jedoch, nach und nach dessen Motive einzuordnen. Als Erlöser sieht er sich, als
einer, der sich selbst vom Bösen befreien muss und böse sind eben jene, die
sich ihm gegenüber ungehörig verhalten. Dass zu diesen im Lauf der
Ermittlungen auch Irene Huss gehören wird, dies gibt dem Buch seine
unterschwellige Spannung bis hin zur, leider all zu kurz und knapp gehaltenen
(der einzige Kritikpunkt an der Gestaltung der Geschichte), finalen Begegnung
der Kriminalinspektorin mit dem Mörder. Eine Begegnung, bei der allerdings auch
eine ganz andere Seite als die bisher gewohnte bei Irene Huss aufblitzen
wird.
Am Anfang stehen zunächst zwei Frauenleichen auf zwei verschiedenen
Friedhöfen, auf die gleiche Art und Weise getötet. Schnell finden die
Ermittler heraus, dass im Vorfeld der Morde der Mörder die Opfer beobachtet hat
und mit ihnen Kontakt aufnahm. Warum aber und wieso und aus welchem Grund es
gerade jene beiden Frauen traf, dass sind die Fragen, die im Lauf der gut 300
Seiten aufzuklären sind, ebenso wie die bange Frage, wer noch alles auf seiner
Liste stehen könnte.
Mit ihrem bewährten Team macht sich Irene Huss an die Ermittlungen. Helene
Tursten legt dabei gesteigerten Wert auch auf das ganz alltägliche, normale
Leben ihrer Figuren. Allein schon Irene Huss wird nicht nur in ihrer Rolle als
Ermittlerin begleitet, auch als Ehefrau, Hausfrau, Hundebesitzerin und mit der
ein oder anderen Eitelkeit und leichten Verzweiflung über den körperlich
sichtbaren Zahn der Zeit wird sie dem Leser vor Augen geführt. Auch alle
anderen Protagonisten erhalten einen fast realen Hintergrund und werden so im
alltäglichen, Leben verankert. Personen, die man durchaus meint, kennen zu
können, Personen, die ein fassbare Tiefendimension erhalten und deren Handeln
im Buch daher umso plausibler dargestellt werden kann.
Fazit
Überzeugende Figuren, eine interessante Grundidee, die in unaufgeregter Form im
Buch ohne logische Brüche entfaltet wird und eine zunehmende Gefahr für die
Hauptfigur des Buches, dies alles sind Zutaten, die den Fall von Irene Huss zu
einem soliden und anregenden Lesevergnügen gestalten, ohne allerdings den Krimi
neu zu erfinden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 02. Dezember 2010 2010-12-02 13:11:13