Gefährliche Geheimnisse
Wie auch heute das fahrende Volk der Aussteller und Fahrgeschäftebetreiber ihre
Tournee durch die Städte, immer dem nächsten Volksfest hinterher, abfahren, so
führten auch die Gaukler des Mittelalters ein unstetes, fahrendes Leben und
bestückten die Märkte und Feste der Dörfer und Markplätze mit ihren
Kunststücken.
Die Gruppe der Gaukler und Marktreisenden war durch ihre reisende Lebenshaltung
gerade in mittelalterlichen Zeiten ein relativ sicherer Ort, um sich vor allzu
neugierigen Augen verborgen zu halten. Ein sich verbergen, was die drei
Hauptfiguren des neuen Romans von Sabine Weigand miteinander verbindet, ohne
dass diese es zunächst je voneinander ahnen würden.
Sara, Jüdin, Ärztin und ihrem herrschsüchtigen und brutalen Ehemann entwichen
(eine historisch verbürgte Person übrigens) muss gleich aus allen drei
genannten Gründen ständig konzentriert darauf achten, dass sie sich nicht
verrät. Juden wurden im religiös christlich aufgepeitschten Mittelalter
erbittert verfolgt, einer Frau war die Welt der Ärzte und Heilkunde schlichtweg
verboten und eine Ehefrau, die ihrem Mann entflieht hatte mit schärfsten
Sanktionen zu rechnen. Ezzo, der jugendliche und jungendhaft wirkende Gaukler
ist in Wahrheit ein Ritter mit geheimem, hochköniglichem Auftrag. Und Charan,
der Mönch. Hütet das Vermächtnis des als Ketzere gebrandmarkten John Wyclif,
dessen Enthüllung die Grundfesten der katholischen Kirche erbeben lassen
würde. Alle drei sind mit der Gauklertruppe von Fest zu Fest am Rhein entlang
unterwegs nach Konstanz, wo ein Konzil abgehalten werden wird. Das natürlich
die Gaukler aus allen Himmelsrichtungen ebenso anzieht wie Marktleute und hohe
Herren und Damen in und außerhalb der kirchlichen Hierarchie.
Als zudem noch im Verlauf des Buches deutlich wird, dass in Konstanz auf
höchster Ebene Intrigen und Strategien um die Macht im Reich gesponnen werden,
sind alle Zutaten für eine abenteuerliche Geschichte von gefährlichen
Missionen gegeben. Zutaten, die Sabine Weigand in sprachlich gewohnt souveräner
Weise umzusetzen versteht. Natürlich kann Sara in so mancherlei Situationen
nicht verleugnen, dass sie medizinisches Wissen und Fertigkeiten besitzt,
natürlich gerät Ezzo in Situationen, in denen sein Rittertum und seine
Waffenkunst an die Oberfläche dringen.
Historisch detailgetreu versteht es Sabine Weigand, ihren Charakteren Leben
einzugeben und das Denken und die Lebensweise des vorgerückten Mittelalters in
bester Weise vor Augen zu führen. In all dem setzt sie einen klar erkennbaren
Schwerpunkt in der Beschreibung des jüdischen Lebens samt seiner stetigen
Gefährdungen jener Zeit, ebenso, wie sie die Rolle der Frau und die manches Mal
bitteren Einschränkungen und Ungerechtigkeiten der Frauen jener Zeit klar vor
Augen führt.
Fazit
Ein klarer Blick auf die realen Lebensumstände des späten Mittelalters gepaart
mit einer abenteuerlichen Geschichte, die von Figuren getragen wird, die dem
wahren Leben entsprungen wirken und mit ihren Stärken und Schwächen die
Handlung jederzeit bereichern und vorantreiben. Sicher keine Hoch- oder
Weltliteratur, aber ein gründlich recherchiertes und mit Hintergrund versehenes
Buch, dass den Unterhaltungswert nicht zu kurz kommen lässt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 24. Oktober 2010 2010-10-24 22:38:31