Breiter Zugang zum Thema
In der Reihe der interdisziplinären Handbücher des Metzler Verlages, in dem
bereits profunde Bände zum Thema "Gedächtnis und Erinnerung",
"Raum" u.a. erschienen sind, liegt nun der breit angelegte und
umfassend betrachtende Band zum Thema "Sterben und Tod" vor. Ein Thema
in der Spannung einerseits eines zunehmend wissenschaftlichen Interesses und
andererseits in einer das Alter, die Gebrechlichkeit, das Sterben und den Tod
zunehmend tabuisierenden Gesellschaft. Nicht nur aus dieser Spannung aber
erhält das Buch seinen intensiven Charakter, wie auch zu den anderen Themen
haben sich die Herausgeber dieses Buches samt der Vielzahl der Autoren zu den
einzelnen Themen im Buch in profunder und einen weiten Bogen spannender Weise
diesem existenziellsten menschlichen Thema zugewandt.
Schon das erste Kapitel, welches die Einlassungen zum Thema aus der Sicht der
verschiedenen Wissenschaften und Religionen auf knapp 75 Seiten darstellt im
Blick der Geschichte, Philosophie, Religionswissenschaft, Medizin, Psychologie
und Soziologie motiviert in bester Weise zur Vertiefung der 370 Seiten des
Buches. Allein schon die knappe Darstellung der Technisierung und die damit
einhergehende Verlagerung des Sterbens aus dem öffentlichen Raum heraus,
zumeist in das Krankenhaus hinein, spricht Bände über die massive
Veränderung, die Sterben, Tod und dazugehörige Prozesse in der Gesellschaft
erlebt haben.
Grundlagen und Konzepte von Sterben und Tod aus medizinischer Sicht einerseits
bis hin zum Begriff des sozialen Todes andererseits, allgemeine Haltungen zu
Sterben und Tod von der medizinischen Lebensverlängerung über die Todesfurcht
als Thema der Philosophie bis hin zur Trauer und der Rezeption von Tod und
Sterben in der bildenden Kunst, konkrete Ausdrucksformen (Bestattungsformen,
Sterbebegleitung, Obduktion, Testament) und (unbedingt lesen) der Blick auf die
Extreme der Praxis von Tod und Sterben (Abtreibung, Euthanasie, Kannibalismus,
Mord u.a.) setzen im weiteren Verlauf des Buches die Wegmarken.
In all den Einlassungen aus den verschiedenen wissenschaftlichen Ansätzen und
Betrachtungswinkeln trägt das Buch drei wesentlichen Momenten der Moderne
Rechnung. Zum ersten dem raschen Wandel der Umgangsweisen mit Tod und Sterben,
ein Wandel, der sich allein schon in den starken Veränderungen traditioneller
Bestattungsformen niederschlägt. Zum zweiten dem Wachstum an
naturwissenschaftlich-technischen Möglichkeiten des Eingriffes am Ende des
Lebens und zum dritten die breiter werdende Diskrepanz zwischen diesen
technischen Möglichkeiten und Fortschritten einerseits und dem Status
vorherrschender Moral andererseits. Sowohl der gesellschaftliche Umgang mit
Sterben und Tod als auch der kulturwissenschaftliche und medizinische Zugang zum
Geschehen unterliegt in den letzten Jahrzehnten einem raschen, in der
Geschwindigkeit zunehmendem Wandel, dem eine klare innere gesellschaftliche
Haltung nicht immer korrespondiert.
In die genannten Schnittstellen hinein bietet das Handbuch nun eine
Bestandsaufnahme und Vergewisserung des aktuellen Standes und der Entwicklungen
der jüngeren Vergangenheit, zudem liegen in den verschiedenen Zugängen
durchweg genügend Impulse für ein eigene Reflektion von Möglichkeiten
zukünftiger Gestaltung des Umganges mit dem Thema vor.
Fazit
Sprachlich wissenschaftlich komplex konzipiert bedarf das Lesen einer
notwendigen Konzentration, die allerdings dem Thema an sich und der Tiefe der
Beiträge nur angemessen ist. Insgesamt bildet das Handbuch einen wichtigen
Markstein in einer zunehmenden Unübersichtlichkeit im Umgang und der
Grundhaltung zu Sterben und Tod und ist damit einer orientierenden
Systematisierung höchst zuträglich.
Hohe Qualität und thematische Breite zeichnen dieses Handbuch dabei
durchgängig aus.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 07. Oktober 2010 2010-10-07 09:28:16