Nüchtern, knapp und temporeich formuliert
Im Kern vermittelt Schöllgen dem Leser nicht nur einen Blick auf das das letzte
Jahrhundert bis in die Gegenwart hinein, dass ununterbrochen eine Abfolge von
Kriegen verschiedenster Natur war. Sondern mehr noch, Motivation und vielleicht
auch Anlass des Werkes mag dem Leser durch die fast lapidar klingende
"Gleichsetzung", zumindest hohe Ähnlichkeit der
"Gemengelage" der Gegenwart zu jener in der Zeit zwischen dem ersten
und dem zweiten Weltkrieg vor Augen stehen, wenn er sich den einzelnen, je knapp
titulierten Kapiteln des Werkes zuwendet. In dem, vorweg gesagt, Schöllgen
jeder Gefahr trotzt, einfache Formeln, eingängige Lösungen oder andere
"to do Listen" gegen "den Krieg" zu formulieren.
Nüchtern und knapp, dennoch die Tiefe der jeweiligen in den Blick genommenen
Konflikte ausloteten, sehr verständlich in der Sprache und klar in der
Botschaft lässt Schöllgen die Weltkriege, den "dritten, kalten
Weltkrieg", die Putsche, Säuberungen und die massiven Fluchtbewegungen
Revue passieren, verweist auf "Verniedlichungen" wie das Wort
"Intervention" für ausgewachsene Kriege oder "Annexion" als
unverhohlene Drohungen, wie auch das "Guerilla-Wesen" und schlichter
Raub als "Krieg" enttarnt werden und Mord immer und zu jeder Zeit
einfach auch "Mord" genannt werden muss.
Mit der klaren, geschichtlichen Zäsur des "Untergangs des
Sowjetreiches", das Schöllgen als Datum der "Aufkündigung" des
"Waffenstillstandes im dritten, kalten Weltkrieg" klassifiziert und
damit die Gegenwart aus der Geschichte heraus ein deutliches stückweit
verständlich zu erklären versteht. Dass mit dem Ende dieses Waffenstillstandes
auch die klare Position der beteiligten Kräfte eines "eigentlich nie
wieder" begonnen hat, sich aufzulösen, zeigt nur eine klare
Entwicklungslinie hin zum mehr und mehr wider "offenen Säbelgerassel"
der Gegenwart. In der die fragilen Geleichgewichte der zweiten Hälft des 20.
Jahrhunderts in Wanken geraten und Haltungen des Protektionismus, des nationalen
Getöses, der Autokraten Schritt für Schritt wieder salonfähig werden. Mit
drohenden Gefahren, die sich nicht im Reich der Fantasie abspielen, sondern sich
eben aus ähnlichen Haltungen und Entfaltungen in der Geschichte, eben aus der
Zeit vor dem ersten und vor dem zweiten Weltkrieg, bestens ablesen lassen.
Dass die nachfolgende Generation jener politischen Kräfte, die aus eigenem
Erleben die Vernichtungskraft von Ideologien kannten und jenes "nie
wieder" in breiten Teile zur Maxime ihres Handelns ausgerufen hatten, sich
von diesen Erfahrungen anscheinend weiter und weiter entfernen, dass die
Traumata von Afghanistan für das Sowjetreich und von Vietnam für die
Vereinigten Staaten nicht nachhaltiger zu einer intensiven und breiten
Friedensarbeit führen, sondern im Gegenteil die Fronten wieder auch in Richtung
"Waffenkraft" sich zu verhärten scheinen, dass ist die große Gefahr
der Gegenwart, die Schöllgen minutiös im Rückblick auf die Geschichte der
Kriege der letzten hundert Jahre vor Augen führt.
Was in der Form Schöllgen dadurch gelingt, dass er Vergangenheit und seine
Ideen für die Gegenwart miteinander verwebt. Bestens nachzulesen, wenn
Schöllgen die nicht stattfinde Reform der UNO als Problem anführt und eine
solche Reform als Schlüssel für die Zukunft der Menschheit und des Planeten
fast herbeischreiben will. Wie im "Krieg gegen den drohenden ökologischen
Kollaps" zeigen die gemeinsamen Resolutionen und vielfach zu weichen
Kompromisse in der Regel erst Wirkung, "wenn die Katstrophen nicht mehr zu
verhindern, sondern nur noch zu begrenzen sind".
Eine Reform, die dringend im Sicherheitsrat zu beginnen hätte und in der
Schöllgen durch das gesamte Buch kontrastierend gegenüberstellt, was eben
geschieht, wenn einzelne nationale Interessen oder solche individueller
"Führungspersonen" als Richtlinie des Handelns gesetzt werden (es
folgt eben Krieg in jedweder Form) oder wenn auf der anderen Seite
"gemeinschaftliche Interessen" selbst mit mühseligsten Verhandlungen
als Leitlinie gesetzt werden können (am Beispiel des "Ozonloches"
bestens nachzuvollziehen). Selbst in der Zeit der "Teilung der Welt",
die Schöllgen ab 1955 als wesentliches Merkmal der Gesellschaften (Ost-West und
Nord-Süd) darstellt, galten Haltungen und unausgesprochene Regeln, die ein
fragiles Gleichgewicht weitgehend garantierten.
"Und damit es dabeiblieb, hielten sich beide Seiten an Spielregeln, die
nicht formuliert werden mussten".
Dass Schöllgen der so oft vorgeschobenen Doktrin, "Sicherheit ist nicht
alles, aber ohne Sicherheit ist alles nichts" gar nicht widerspricht,
sondern sich in seiner Bilanz auf die Suche nach möglichen und nötigen
Sicherheitsdoktrin für die Gegenwart begibt, rundet das Buch am Ende in bester
Form ab.
Fazit
Am Ende aber bleibt es, wie es immer war. Vorsichtig optimistisch formuliert
Schöllgen, dass nur mit "Vernunft" und der Erkenntnis und weiteren
Entfaltung "übergeordneter und gemeinsamer Interessen" oft (noch)
Schlimmeres verhütet wurde und nur mit diesen beiden Instrumenten weiterhin
Schlimmeres verhütet werden kann. Was natürlich politischer Kräfte immer
wieder bedarf, die sich von Vernunft statt Emotion und von einem übergeordneten
Blick statt von engem Denken leiten lassen. Die Tendenz der Gegenwart scheint in
eine andere Richtung zu deuten. Es bleibt zu hoffen, dass die nüchterne
Darstellung und die überzeugende Bilanz Schöllgens breites Gehört finden.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 20. November 2017 2017-11-20 12:36:08