Eine Geschichte der antiken griechischen Welt in Form einer Sammlung von
Einzelbeiträgen zu geschichtlichen "Erinnerungsorten" zu schreiben,
ist durchaus innovativ und interessant zugleich. Der vorliegende von Elke
Stein-Hölkeskamp und Karl-Joachim Hölkeskamp herausgegebene Sammelband vereint
über 30 Beiträge von anerkannten und namhaften Fachwissenschaftlern. Es bildet
zugleich den zweiten Band einer Darstellung der antiken Welt in dieser Form (der
erste Band zur römischen Welt erschien bereits 2006).
Die thematisch sehr verschiedenen Beiträge gliedern sich in sechs größere
Abschnitte: Von "Schauplätzen" wie Knossos, Olympia, Marathon und
Alexandria zu Elemente der Memoria (also der Erinnerungskultur, darunter der
Pergamonaltar), weiter über Mythen, Feste und Rituale (so Stadtgründungen und
Olympiaden), bis hin zu zentralen Texten (so die Geschichtsschreibung Herodots
und des Tukydides bis zu Platon und Aristoteles), Konzepte und Ideen (wie die
Demokratie) und schließlich der Rezeption der griechischen Geschichte in der
Neuzeit anhand ausgewählter Beispiele (besonders interessant ist die Wahl
Grotes, wenig überraschend die Jakob Burckhardts).
Der Band bietet dem Leser keine geschlossene und ausführliche Gesamtdarstellung
der antiken griechischen Welt und hat auch nicht dieses Ziel. Vielmehr wird ein
Panorama dieser Zeit entworfen, in dem sich die Beiträge wie Mosaikstücke
zusammenfügen. Freilich bestehen bei dieser Art der Darstellung, die bewusst
Schwerpunkte setzt, erhebliche Lücken (die Zeit des Hellenismus hätte m. E.
auch stärker berücksichtigt werden können), die aber hierbei unvermeidbar
sind. Die Darstellung des jeweiligen Erinnerungsortes orientiert sich aber
meistens gekonnt daran, was der jeweilige Aspekt für den modernen Menschen
bedeutet bzw. bedeuten kann; ob man die Bewertung im Einzelfall teilt, ist eine
andere Sache, doch regen die Beiträge diesbezüglich durchaus zum Nachdenken
an. Eine Einzelkritik kann kaum erfolgen, ohne den Rahmen einer Besprechung zu
sprengen, aber es sei doch hervorgehoben, dass das Niveau der Beiträge
insgesamt recht ansprechend ist und zumeist die moderne Forschung gut
nachvollziehbar reflektiert. Thematisch mag man manches vermissen (persönlich
hätte ich gerne die Darstellung der Kontakte mit dem Orient stärker forciert
gesehen), was aber den guten Gesamteindruck nicht schmälert. Ich gebe aber zu,
dass mir persönlich der erwähnte Band zur römischen Welt etwas mehr zugesagt
hat.
Fazit
Der Band stellt einen erfrischend unkonventionellen Zugang zur griechischen
Antike dar, den sich kein interessierter Leser entgehen lassen sollte - sofern
er keine geschlossene Gesamtdarstellung erwartet, denn in diesem Fall würde er
eher enttäuscht. Dem Leser sollte auch bewusst sein, dass gewisse Vorkenntnisse
für die Lektüre durchaus hilfreich sind, aber auch der interessierte Laie
sollte einen Blick in den opulenten Band werfen, der eine andere, neue
Betrachtung auf die griechische Welt der Antike gestattet als übliche
einführende Überblicksdarstellungen.
Vorgeschlagen von B. Kiemerer
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veröffentlicht am 06. Oktober 2010 2010-10-06 21:50:25