Deutsche Marotten
Eine wunderbar treffende, entlarvende, vordergründig mit Humor gewürzte
Sammlung von Essays legt Asfa-Wossen Asserate hier quasi als Nachtrag zu seinem
Buch "Manieren" aus dem Jahre 2003 vor.
Ein Großneffe des letzten äthiopischen Kaisers macht sich auf, Deutschland im
Alltag kennen zu lernen und stößt auf, zumindest für ihn als Fremden aus
einem völlig anderen Kulturkries, absonderlichste Bräuche und Eigenarten, die
ihn ein ums andere Mal an den Rand der Verzweiflung treiben, denn wie soll einer
wie er sich jemals in diesen merkwürdigen Verhaltensweisen zurecht finden?
In Zeiten von Latte Macchiato, Cafe au lait oder Espresso z.B: tauchen ernste
Blicke und Hinweise auf "draußen nur Kännchen" zwar nur mehr am
Rande von Ausflugslokalen auf, benennen aber dennoch eine tiefliegende, innere
Haltung einer "Dienstleistungswüste", die noch lange nicht
durchschritten ist. "Der Feierabend ist eben heilig", eine Haltung,
die Asserate bereits bei seinen ersten Schritte auf deutschem Boden mit
Erstaunen zur Kenntnis nehmen musste.
Gut, dass jenes "typisch Deutsche", das jahrzehntelang den Blick von
außen auf dieses Land begleitete, gerade in den letzten Jahren eine deutliche
Wandlung erlebt. Und ebenso gut, dass Asserate dennoch den Spiegel des deutschen
Muffs noch einmal poliert.
Genau beobachtet auch sein Blick auf die neue Elite der modernen Welt, den
"Geschäftsmann" und die äußeren Anzeichen dieser neuen Elite, die
bereits bei der Lage des Tiefgaragenparkplatzes beginnen und bei der teuren Uhr
noch lange nicht aufhören.
Dass jene Manieren und der schöne Schein aber nur dem eigenen, geschäftlichen
Ehrgeiz dienen, kaum mehr als eine Fassade der Gier darstellen, und in keinster
Weise von echtem Respekt dem anderen gegenüber zeugen, das ist eine jener
treffenden und entlarvenden Beobachtungen, mit denen Asserate echte
Nachdenklichkeit erzeugt.
Mit Respekt wiederum betrachtet Assearate die deutsche Medienlandschaft und das
unausgesprochene Agreement, schmutzige private Wäsche und eventuelle Sexuelle
Eskapaden gerade im Blick auf Politiker her noch diskret im weltweiten
Journalistenvergleich zu behandeln. Eine Form von Stil, die ebenso bedenklich
auf der Kippe zu stehen scheint, noch aber einen gewissen Respekt vor
öffentlichen Ämtern vorlebt.
Selten ist das Phänomen des Kulturschocks in solch treffender und reflektierter
Weise sprachlich gelungen beschrieben. Ebenso liegen in seinen Essays
Fazit
Ohne den tiefen Ernst eher trockener soziologischer Betrachtungen gelingt
Asserate spielerisch, den großen Spiegel für uns Deutsche an die Wand zu
hängen. Auch wenn einige seiner Erlebnisse und Erfahrungen durchaus vergangen
wirken, ein Hauch der inneren Haltung reicht durchaus bis in heutige Tage
hinein, auch wenn die Formen sich geändert haben mögen.
Empfehlenswert und höchst vergnüglich mit durchaus ernstem Hintergrund.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 05. Oktober 2010 2010-10-05 20:08:47