Als ich kürzlich Lynsay Sands historischen Liebesroman Liebe auf den zweiten
Blick näher in Augenschein nahm, fand ich in einer Lesermeinung einen Hinweis
auf die österreichische Autorin, Wirtschaftsjuristin und Unternehmensberaterin
Sophia Farago. Sie schreibt Regency-Liebesromane im Stil von Georgette Heyer,
weil sie sich privat sehr für englische Geschichte interessiert. Aus ihrer
Feder stammen Die Braut des Herzogs, Hochzeit in St. George, Schneegestöber
oder Maskerade in Rampstade, die teilweise in Bestsellerlisten ihres
Heimatlandes auftauchten. Das klang gut. Und da mir weder Heyer noch Farago
etwas sagte, stürzte ich mich neugierig auf ihren neuesten Roman.
Darin lockt sie ihre LeserInnen nach England in die Zeit Anfang des 19.
Jahrhunderts. Dort bemüht sich nicht nur die junge Elizabeth, das Erbe ihres
Bruders zusammenzuhalten. Dort sieht sich auch Frederick Dewary einem
ungeheuerlichen Vorwurf ausgesetzt. Die Schwester seines Vaters ist spurlos
verschwunden und es gibt Hinweise, die darauf hindeuten, dass er als Täter
infrage kommt. Frederick, der sich eigentlich im Dienste seiner Majestät auf
dem Festland im Kampf gegen Napoleon befindet, reist schnurstracks inkognito in
seine Heimat zurück. Um nicht erkannt zu werden, verdingt er sich
vorübergehend als Stallmeister bei Elizabeths Familie und versucht gleichzeitig
mithilfe treuer Freunde, Licht hinter die erhobenen Vorwürfe zu bringen. Obwohl
Elizabeth Frederick einstellt, ist sie ihm nicht unbedingt gewogen, da er ihre
schlimmsten Seiten zum Vorschein bringt.
Was mir gleich ins Auge gestochen ist, war nicht nur das harmonische wirkende
Cover (Garten mit Treppenaufgang), sondern auch die Abbildungen der Rosen an den
Kapitelanfängen. Ich mag solche Details. Die Hintergrundatmosphäre
(Ortsbeschreibungen, gesellschaftliche Konventionen, etc.) ist dicht gewoben,
die Sprache der Zeit angepasst. Glücklicherweise hob sich Faragos Roman gleich
zu Beginn von Sands eingangs erwähntem Roman ab und gestaltete sich eingangs
vielversprechend.
Die Autorin bedient sich genretypischer Klischees (wobei ich Klischee jetzt
nicht zwingend negativ meine). Ihre Protagonistin ist schon fast eine alte
Jungfer und das Leben hat sie um ihr Debüt in London gebracht. Träume hat sie
natürlich dennoch noch. Elizabeth scheint vielleicht nicht bereits mit einem
ja-aber zur Welt gekommen zu sein, doch verfügt sie mittlerweile (laut
Buchrückseite) über ein energisches Auftreten. Der jüngere Bruder offenbart
sich als überheblich-weltfremder Träumer mit verqueren Idealen. Er hat zwar
anscheinend von Nichts was mit seinen Pflichten verbunden ist so wirklich eine
Ahnung, doch nimmt er sich dennoch ihm vermeintlich zustehendes Recht heraus -
notfalls ist er sogar bereit, die Familie in Geldschwierigkeiten zu bringen,
damit er zu seinem Wort stehen kann. Er bringt einen Freund mit nach Hause, der
in argen Geldnöten und überaus manipulativ ist. Die Mutter verlässt sich voll
und ganz auf ihre unverheiratete Tochter und scheint ansonsten auf den ersten
Blick etwas lebensuntüchtig. Frederick Dewary wiederum ist ein Held, der tapfer
für sein Vaterland einsteht und dieses vor der korsischen Bedrohung schützen
will. Die Frauen in seiner Vergangenheit haben ihm übel mitgespielt, doch er
ist verlobt und freut sich bereits darauf, seine Verlobte wiederzusehen.
Charismatisch-verständnisvoll zeigt er sich klug und umsichtig und natürlich
darauf erpicht, seinen Ruf zu retten. Daneben gibt es noch hilfsbereite Freunde
und Bedienstete, aber auch arbeitsscheue Bedienstete, die natürlich dringend
einer strengen (männlichen) Hand bedürfen.
Klingt zunächst nicht schlecht, doch wirklich fesseln konnte mich weder die
Figurenvielfalt noch das Verwirrspiel um Fredericks Tante bzw. die Aufklärung
eines Falles, der im Grunde genommen keiner ist. Die Figuren sind an und für
sich nicht blass skizziert, doch wirklich anfreunden konnte ich mich mit keiner.
Und obwohl ich historische Liebesgeschichten in der Sittsamkeit der damaligen
Zeit mag, fehlt mir hier eindeutig etwas. Allzu viel Zeit verbringen die beiden
Hauptfiguren nicht miteinander. Die zuvor anscheinend so energische, patent
anmutende Elizabeth mutiert zum hilflos-oberflächlichen Weibchen, sobald
Frederick die Bühne betritt. Das könnte man ihr fast noch verzeihen, da die
paar Male, die die beiden sich kabbeln, zunächst darauf hindeuten, dass da mehr
daraus werden könnte. Doch eine wirklich gemeinsame Geschichte wirkt angesichts
des zu bemühten Konstrukts um Das Geheimnis von Digmore Park stellenweise
unglaubwürdig und geht auch in Teilen gnadenlos unter.
Zunächst tut sich auf Portland Manor nämlich nicht viel und ich fragte mich
die ganze Zeit, wie Frederick auf diese Weise eigentlich seinen Ruf retten will.
Dann muss alles schnell gehen, denn der Freund von Elizabeth‘ Bruder erpresst
sie. Praktischerweise kennt er den gesuchten Frederick und setzt ihn als
Druckmittel ein. Prompt reisen Elizabeth und ihre Mutter nach Digmore Park,
Frederick unerkannt im Schlepptau, um selbst zur Lösung des Falles beizutragen.
Die Zeit drängt ja.
Ein ganzes Bündel an Ideen bezüglich des Geheimnisses um die infamen
Anschuldigungen und die Tante, die mittlerweile nicht mehr nur verschwunden ist,
sondern gar ermordet wurde, wird von Farago ins Spiel gebracht. Fredericks
Verlobte, sein offenbar dahinsiechender Vater und sein geldgieriger Cousin
kommen ebenso in Spiel wie scheinbar unkooperative Dienstboten. Es gibt
Gegenspieler, die ganz offenbar auch vor Mord nicht zurückschrecken, doch die
Autorin scheint sich nicht ganz sicher zu sein, ob die denn nun wirklich böse
sind oder nicht. Und angesichts des an sich ernsten Vorwurfes wirkt die
fröhlich-aufgesetzte ach-ist-das-alles-spannend-Stimmung falsch. Mit einer der
ins Romangeschehen genommenen Leichen stellt sich dann noch zusätzlich die
Frage, wie blind alle Beteiligten der damaligen Zeit waren. Bestimmte Merkmale
scheinen einfach zu augenscheinlich, als dass die Lösung so wie im Fall von
Faragos Roman daherkommen kann.
Bedauerlicherweise verheddert sich die Autorin für mein Dafürhalten so in
ihren Ideen, dass dieser Teil der Geschichte willkürlich zusammengestückelt
und nicht einmal ansatzweise ausgereift wirkt. Die von ihr angedachte, sich aus
dem Erpressungsversuch ergebende Zeitnot, scheint sie dabei auch wieder
vergessen zu haben. Stattdessen genießen ihre beiden Hauptfiguren doch noch
Stunden zu zweit. Gezwungenermaßen, aber immerhin ohne sich darum Gedanken zu
machen, obwohl sie zu dem Zeitpunkt noch nichts vom Ausgang des Geschehens
ahnen. Die Motivation der Initiatoren hinter dieser Aktion wirkt einfach nur
bemüht. Dadurch fühlte ich mich von den ohnehin nicht allzu fesselnden
Charakteren wieder entfremdet.
Fazit
Positiv sind die dichte Hintergrundatmosphäre, die passende Sprache und die
liebevolle Aufmachung (Rosen an Kapitelanfängen - ich mag solche Details) des
Buches. Das beinhaltet eine nicht gerade ganz unbekannte aber durchaus gerne von
mir gelesene Grundidee. Doch die Umsetzung derselben konnte mich nicht
überzeugen. Der ansprechende Anfang erlitt einen akuten Spannungsabfall und der
wiederum hielt sich tapfer bis zum Ende. Vorhersehbarkeiten schlichen sich ein
und häuften sich, was für Längen sorgte. Mein Wunsch, dass sich das nochmals
bessert ... er war vergebens.
Copyright ©, 2013 Antje Jürgens (AJ)
Vorgeschlagen von Ati
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veröffentlicht am 07. März 2013 2013-03-07 16:52:28