Erstaunliche Erfinder
Die Geistlichkeit hat, zu allen Zeiten, den leichten bis stärkeren Spott der
arbeitenden Bevölkerung auf sich gezogen unter dem Hinweis, dass "das
bisschen Beten am Sonntag" nun wirklich nicht zum Herzinfarkt oder starkem,
körperlichem Verschleiß führen würde.
Und, wenn überhaupt von praktischem Nutzen, dann wird auch heute noch Pfarrern
und Priestern berufsgemäß der Ort des Gottesdienstes, der Taufe, Trauung,
Kommunion oder Konfirmation bis hin zum letzten irdischen Weg hin zugesprochen.
Einzelne Pfarrer oder Priester, die sich in die Politik oder die Medienwelt
verirren und somit außerhalb ihres "Kerngeschäftes" wahrgenommen
werden, bilden im Bild der Öffentlichkeit höchstens die Ausnahme von der
Regel. Aber Theologen haben im Lauf der Zeiten wesentlich mehr zum
gesellschaftlichen Fortkommen beigetragen, als es sich in Gebeten ausdrücken
ließe. Neben, begleitend, teils auch außerhalb ihrer Ämter findet sich ein
wahrer Schatz an Entdeckungen und Erfindungen im Dunstkreis der Theologen, der
bis heute nachwirkt und weite Kreise gezogen hat.
Eckart Roloff hat sich aufgemacht und dieses einseitige Bild der Kirchenmänner,
wenn schon nicht grundlegend verändert, dann zumindest um erstaunliche und
interessante Nuancen bereichert. Wie viele Erfindungen und Entdeckungen,
kulturelle bis hin zu technischen Errungenschaften, von Pfarrern und Priestern
erdacht und entdeckt wurden, das ist schon erstaunlich, folgt man den
Geschichten, Erzählungen und Hinweisen Roloffs im Buch.
Sicher ist es noch ein stückweit im allgemeinen Bewusstsein, dass Klöster im
Mittelalter bis weit in die Neuzeit hinein die zentralen wissenschaftlichen
Stützpunkte waren. Handschriften, Landkarten, Brauen von Bier und Anbau von
Wein, bis hin zur medizinischen Entwicklung und Heilkunst hatten über
Jahrhundert nur dort ihren angestammten Platz. Nur dort eben waren Menschen zu
finden, die genügend Zeit im Gefüge der feudalen Gesellschaften für ihre
Forschungen in Anspruch nehmen konnten. Nur dort war in der Regel die Kunst des
Schreibens überhaupt vertreten. Schon aber bei der Erkenntnis, dass das
Hochschulwesen im Kern eine kirchliche Entwicklung darstellte, wird die Breite
des allgemeinen Wissens darüber bereits dünner.
Dann aber folgen fast unbekannte Namen mit breiter Wirkung. Johann Adam Schall
von Bell? Bereits im 16. Jahrhundert für fast ein halbes Jahrhundert Erforscher
und Wegbereiter des Abendlandes in China. Wilhelm Schickard im 17. Jahrhundert?
Der Erbauer der ersten bekannten Rechenmaschine, die bis zu sechsstellige Zahlen
bewältigte, mithin der Urvater somit moderner Taschenrechner und Computer.
Claude Chappe im 18. Jahrhundert? Fast völlig vergessen, aber der Erfinder der
optischen Telegrafie und damit der, der den Nachrichten Schnelligkeit
verlieh.
Nur einige, stichwortartige Namen der Vielzahl von Kirchenmännern, die in ganz
anderer Richtung und Funktion sich einen Namen gemacht haben. Namen, die zu
Recht von Rolofff aus der Vergessenheit geholt werden. Beginnend im Jahre 1300
mit der Erfindung der Brille durch Berthold Schwarz bis hin zu Kneipp, Mendel
und Landell des Moura und Musger Anfang des 20. Jahrhunderts reicht der
zeitliche Bogen.
Jedes der Kapitel ergänzt Roloff durch Einladungen zu einer eigenen Spurensuche
für den Leser, indem er auf Literatur, zu besichtigende Orte, Museen und Filme
hinweist, versehen je mit einer Zeittafel zu den einzelnen Erfindern und
Entdeckern, die helfen, einen leichten Überblick zu behalten.
Fazit
Liebevoll wendet sich Eckart Roloff den theologischen Erfindern und Entdeckern
zu, versteht es, anregend im Stil und bewandert im Hintergrund, das Leben dieser
fast in Vergessenheit geratenen Wegbereiter fassbar vor Augen zu stellen und
bietet zudem Vielfache Hinweise und Möglichkeiten an, den Spuren dieser
Menschen am entsprechenden Ort zu folgen. Eine rundweg in Form und Inhalt
gelungen Reminiszenz an geniale Geistesblitze der Geschichte menschlichen
Fortschritts in vielerlei Gestalt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 05. Oktober 2010 2010-10-05 20:08:56