Auftragsmorde in der bayerischen Provinz?
Leonhard Kreuthner kennt als Polizeiobermeister seine Pappenheimer im Großraum
Miesbach-Tegernsee gut. Nicht die Reichen und Großkopferten, die dort ihre
Villen haben, sondern die Anderen, die in verräucherten Wirtshäusern Schafkopf
um hohe Einsätze spielen, nicht viel reden, aber schnell zulangen, wenn's
Widerworte gibt oder die Laune einfach danach ist (ob es dann die
Lebensgefährtinnen oder Münchner Tagesausflügler trifft, spielt dann kaum
eine Rolle).
Kennt Kreuthner alle, machen ihm zur Zeit nichts. Er ist beschäftigt. Zum einen
seinen Alkoholkonsum auf fast Null zu fahren (6 Halbe am Abend gönnt er sich
nur noch und die drei Liter sind nichts gegen sein sonstiges Pensum), zum
anderen mit sportlicher Ertüchtigung, denn aufgrund einer Wette hat er einen
harten Wettkampf vor sich.
Auf seiner ersten Joggingtour, bergauf (wunderbar geschildert, wie er sich mit
innerem Schmerz an den 14 Bildern der Kreuzwegstationen Jesus, die den Wegesrand
säumen, vorbeiquält), begegnet er auf der Höhe Stasnislaus Kummeder, der dort
mit seinem Freund ein Gedenken besonderer Art (wie jedes Jahr) zu feiern
gedenkt. Abgelenkt von seiner körperlichen Schwäche und der Zurückgabe seines
Frühstücks an Mutter Natur (dankenswerter Weise eine sehr diskret geschilderte
Szene), bekommt Kreuthner kaum mit, wie neben ihm mit einem präzisen Kopfschuss
aus gut 500 Meter Entfernung Krummeder getötet wird (hier wird die Szene bis
ins Detail genussvoll geschildert).
Was steckt hinter der Tat? Was hat ein solch professioneller Schütze in der
tiefsten, bayerischen Provinz zu suchen? Das sind die Fragen, denen im weiteren
Verlauf der Geschichte die eigentlich zentrale Figur, Kommissar Wallner,
nachgeht. Einer, der einen Mord als Störung der ruhigen Wasseroberfläche des
Lebens betrachtet und mehr auf seine Intuitionen hört als auf das, was
vordergründig im Raume steht. Nebenbei aber auch mit ausgeprägter
Kontrollsucht versehen.
Anhand aber der Schilderung des Streifenpolizisten Kreuthner zu Beginn, der im
weiteren Verlauf des Buches eher eine Nebenrolle einnimmt, wird bereits
deutlich, wo die besonderen Stärken des Autors liegen.
Gemächlich fast schildert er ohne ablenkende Action-Sequenzen den Fall und die
Untersuchung der Miesbacher Ermittler, angeführt vom schnell fröstelndem
Wallner, der mit seinem frauenverstehenden Großvater zusammenlebt und sich
alsbald selbst in einer Liaison wiederfindet. Eine Gemächlichkeit, die ihm
wunderbar Gelegenheit verschafft, seine große Stärke, die überaus zutreffende
und auf den Punkt gebrachte, Skizzierung von Personen in den Raum zu setzen.
Selten gelingt es einem Autor, das berühmte "Lokalkolorit" allein
durch die prägnante Beschreibung der handelnden und beteiligten Personen
fühlbar in den Raum zu stellen. Dazu passt, dass so manche seiner Dialoge
umgangssprachlich gestaltet sind, sich dies aber weder aufgesetzt noch nervend,
sondern organisch in Sprache und Stil in die Erzählung einfügt.
Die im Buch befindliche Schilderung des namensgebenden Kartenspieles ist eines
der Beispiele für diese ausgeprägte Beobachtungsgabe des Autors und seine
Fähigkeit, seine Betrachtungen der Menschen auf den Punkt sprachlich erlebbar
auszudrücken.
Wer kennt sie denn nicht, jene Form der "harten Männer", die im
Zentrum der Ermittlungen stehen? Woanders heißen sie eben Kirmesschläger, aber
rohe Gewalt aufgrund mangelnder innerer Entwicklung, gerade auch den eigenen
Frauen gegenüber, ist keine Seltenheit in bestimmten Kreisen. Diese Kreise aber
auf den Punkt genau zu skizzieren, zudem auch den Hauptpersonen auf
Ermittlerseite eine augenzwinkernde Tiefe zu verleihen (wunderbar, wie Wallner
sein ganzes Team bei kühler werden Temperaturen auf der Terrasse des
Berggasthofes zur Besprechung versammelt, jenes Team, dass eine Stunde zuvor bei
Sonnenschein noch über seine Daunenjackenmarotte feixte, das hat einen
mitreißend hintergründigen Humor).
Stilistisch wählt Föhr für sein Buch die Erzählung auf zwei Zeitebenen.
Zwei Jahre vor den aktuellen Ereignissen ist die Lebensgefährtin des Kummeder
über Nacht verschwunden. Jeder, auch die Polizei, nahm an, dass sie die
häusliche Gewalt nicht mehr aushielt. Aber nun stellt sich heraus, dass mehr,
anderes dahinter steckte.
So verzahnt Andreas Föhr sehr gelungen die Schilderung der aktuellen
Ermittlungen mit einer eingeschobenen Schilderung der Ereignisse um das
Verschwinden der Frau herum und führt so Seite für Seite, mit aller Zeit des
Autors, seinen Figuren, auch in Nebenhandlungen, noch eine Kontur mehr zu
verleihen, den Leser zur, am Ende doch noch überraschenden, Lösung des
damaligen und gegenwärtigen Falls.
Fazit
Wunderbar gezeichnete und auf den Punkt gebrachte Figuren bis in die
Nebendarsteller hinein verleihen dem Buch Tiefe und Faszination. In ruhigem
Tempo, mit bildhafter Sprache und großem Wortschatz erzählt, wählt Andreas
Föhr traumwandlerisch sicher das je zur Szene passende Erzähltempo und zieht
den Leser mit hinein in das Erleben der Bevölkerung rund um den Tegernsee und
Miesbach. Ein anregendes Leseerlebnis.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 25. September 2010 2010-09-25 15:56:05