Zwei Jugendliche, Erik und Edmund, verbringen im Sommer 1962 gemeinsam die
Ferien. Diese lassen sich zunächst idyllisch an. Da geschieht etwas
schreckliches: ein Mord an dem früheren brutalen Freund der neuen,
heißgeliebten Lehrerin Eva Kaludis. Wer war der Täter?
Hakan Nesser ist es gelungen, einen eindrucksvollen und einfühlsamen Roman
über das Ende der Kindheit zu schreiben. Ihm gelingt es, in einer bildhaften
Sprache die beiden Protagonisten, 14-jährige Jugendliche, so darzustellen, wie
sie sind - mit ihren Gefühlen, Sorgen und Problemen. Mir wurde klar: der Roman
beschreibt das Ende einer idyllischen Kindheit - dokumentiert durch zwei
Ereignisse: den - bis zum Ende - nicht aufgeklärten Mord sowie das lange
Sterben der Mutter des Ich-Erzählers Erik.
Es gibt zahlreiche Romane über das Ende der Kindheit, doch mich hat selten -
mit Ausnahme von Alan Fourniers: Der große Meaulnes - ein Buch über diese
Thematik so fasziniert. Das Buch ist nicht in erster Linie ein Kriminalroman,
sondern ein Entwicklungsroman. Die Figuren sind authentisch und lebensecht
gestaltet. Das gleiche gilt für die intensiven Landschaftsbeschreibungen. Die
Tatsache, dass Nesser den Erzähler in Ich-Form schreiben lässt, zwingt den
Leser zu starker Identifikation mit der Hauptfigur. Nebenbei wird der Leser als
Detektiv gefordert: Wer ist der Mörder? Dass diese Frage - die meines Wissens
im übrigen unaufgeklärt bleibt - gar nicht die wichtigste, zentrale Frage im
Buch ist - viel interessanter ist für mich die eindringliche Beschreibung der
Entwicklung der Protagonisten - zeigt die Vielschichtigkeit dieses Romans, der
mich nicht mehr losgelassen hat. Obwohl ich auch die Van-Veeteren-Krimis von
Nesser gerne gelesen habe, empfinde ich dieses Buch als das beste und
eindrucksvollste des Autors. Der Bilanz des Gefle Dagblads - auf der Rückseite
der Ausgabe abgedruckt: "Es ist lange her, dass ich einen Roman wie diesen
gelesen habe: ausgereift, witzig, geheimnisvoll. Krimi und
Kindheitsgeschichte" kann ich nur aus vollstem Herzen zustimmen. Mit seiner
langsam, aber immer subtiler aufgebauten Spannung (die insbesondere dadurch
entsteht, dass der Ich-Erzähler die Erlebnisse rückwirkend als Erwachsener
beschreibt, der die Ereignisse schon kennt und die dramatischen Ereignisse, das
SCHRECKLICHE, im Voraus andeutet, was den Leser auf das Ereignis förmlich
hinfiebern lässt), erweist sich Nesser als ein Meister des Genres. Die Bilanz
der Neuen Ruhr-Zeitung ist ebenfalls treffend: "Nesser gönnt sich im
Vergleich zu Mankell, bei nicht minderer Qualität, einen poetischeren Stil,
tiefere Einblicke in die finsteren Leidenschaften der Seele und weniger
Zeigefinger bei der Schilderung sozialer Probleme." Genau dies macht meiner
Meinung nach das Außergewöhnliche dieses Buches aus.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
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veröffentlicht am 01. Mai 2005 2005-05-01 21:39:08