Der Arzt, der Maik im Krankenhaus untersuchte, hatte ein ziemlich blödes
Gefühl. Wie kann ein Jugendlicher, der auf einer Polizeiwache während der
Befragung zu einem Verkehrsunfall mit dem Kopf voran bewusstlos vom Stuhl
gekippt war, am ganzen Körper blaue Flecken und Schürfwunden haben? Maik kann
den Arzt beruhigen. Bei der Polizei wird nicht gefoltert; denn in Deutschland
ist es meistens nicht wie im Fernsehen. Maik hat nun ein Problem: Wie war er
eigentlich auf die Autobahn und dann auf diese Polizeiwache geraten? Und wo zum
Kuckuck steckt Tschick?
Maik, in der Klasse Psycho genannt, wäre im Behördenjargon ein
wohlstandsverwahrloster Vierzehnjähriger. Seine Mutter ist zu Beginn der
Sommerferien mal wieder auf ihre "Schönheitsfarm" gefahren, um sich
einer Entziehungkur zu unterziehen. Maiks Vater bricht mit einer neuen Flamme
in Urlaub auf und wirft seinem Sohn schnell noch ein paar größere Geldscheine
hin. Maik bleibt allein am Swimmingpool der Familie zurück. Auftritt Tschick,
der kurz vor den Ferien neu in Maiks Klasse gekommen war. Tschick sieht aus wie
ein Mongole und heisst Andrej Tschichatschow. Tschick säuft, wie jeder riechen
kann, und seine Schulleistungen folgen mit dem Alkoholspiegel der Umlaufbahn
eines Jojos. Nun steht Tschick auf der Matte, hat sich eben mal einen Lada
"ausgeliehen" und kurzgeschlossen. Sein Ziel ist Tatjanas
Geburtstagsfete in Werder bei Berlin. Tschick weiß, dass Maik Tatjana
hemmungslos anschmachtet. Pech nur, dass Russen, Nazis und Idioten nicht zu
Tatjana eingeladen sind.
Während die zwei im Lada gen Werder rumpeln, vollzieht sich der Zusammenprall
zweier gegensätzlicher Kulturen. Gibt es in Ostdeutschland überhaupt Berge?
Offenbar kann man nichts von dem, was man in der Schule gelernt hat, gebrauchen.
An dieses Röhren-Dingsbums-Prinzip zum Benzin-Klauen kann sich Maik jedenfalls
nicht erinnern. Dass es keine Wallachei gibt, weil das so etwas wie JotWeDe
ist, war sich Maik ziemlich sicher. Tschick behauptet, dass man in der Wallachei
sehr wohl leben kann, sein Großvater wohnt da. Mit Zwischenstopps auf
Industriebrachen, dem Braunkohlentagebau und einer Müllkippe entfaltet sich ein
hinreißendes Road-Movie und eine ganz besondere Beziehung zwischen den Jungen.
Wie gut Tschick Maik versteht, wird dem erst ganz zum Schluss bewusst. Viel
besser noch - Maik erkennt, dass die Welt nicht so schlecht ist, wie ihm stets
eingetrichtert worden war.
Fazit
Herrndorfs jugendliche Figuren haben es nicht nötig, sich mit aufgesetzter
Jugendsprache in den Mittelpunkt zu schieben. Sie sind vierzehn - und absolut
glaubwürdig. Ein okayes Buch, würde Maik sagen. Bitte mehr davon, Wolfgang
Herrndorf!
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 25. September 2010 2010-09-25 09:19:17