Ein moriskisches Epos
Nicht von ungefähr erinnern Titel und Umfang des neuen Buches von Ildefonso
Falcones an die, ebenfalls episch angelegten, Bücher "Die Säulen der
Erde" und "Die Tore der Welt" von Ken Follet.
Auch der Beginn dieser umfassenden Geschichte, die Falcones auf gut 900 Seiten
darlegt, erinnert durchaus in Stil und Aufbau noch ein stückweit an die
genannten Bücher.
An einem überschaubaren, dörflichen Ort in Spanien, in Juviles, führt
Falcones umgehend auf den ersten Seiten bereits ein in die gedrückten und
schwierigen Lebensumstände der (nur) vordergründig christlich assimilierten
Mauren Spaniens, der Morisken.
Dann aber weitet Falcones den Schauplatz der Ereignisse deutlich aus und
versteht es, auch in die Tiefe der damaligen Ereignisse umfassend vorzudringen
und ein detailreiches und in der Tiefe verankertes Bild dieser historischen
Epoche Spaniens darzustellen.
Anhand der Lebensgeschichte des, zu Beginn fast noch in Kinderjahren steckenden,
Eseltreibers Hernando vollzieht Ildefonso Falcones die wechselhafte und sich
durch fast ganz Spanien ziehende Geschichte dieser letzten Mauren auf spanischem
Boden nach. Ein Volk mit arabisch-muslimischen Wurzeln, Erbe der weitreichenden
Kulturgüter, Moscheen und Bibliotheken des Landes, zurückgeblieben auf meist
eigenem Grund, nachdem die letzte Maurenarmee ihre bittere Niederlage
eingestehen musste.
Morisken, die einerseits durchaus ihre Funktion für das spanische Reich haben,
denn sie arbeiten hart, an unwegsamsten Stellen und zahlen eine durchaus hohe
Steuer. Die aber andererseits mit Misstrauen und großer Verachtung behandelt
werden. Zu Zeiten der Inquisition und der fast unumschränkten Herrschaft von
"Mutter Kirche" stehen die Morisken und ihre aufgezwungene, neue
Christlichkeit unter intensiver Beobachtung und unter Androhung drakonischer
Strafen. Bedrängung, Aufstand und Deportation kennzeichnen diese
Schicksalhaften Jahre am Ausgang des 16. Jahrhunderts.
Hernando, Folge der Vergewaltigung seiner Mutter durch einen christlichen
Priester, durchaus bereits christlich geprägt, im Geheimen aber ebenso
muslimisch erzogen, seine Mutter und sein ihn hassender Stiefvater, bilden das
Grundgerüst der Familiensaga, anhand derer die Geschichte der Morisken,
beginnend in den Jahren um 1570, entfaltet wird.
Feldzüge und Aufstände, eigene Könige und bitter Niederlagen, Deportation,
Trennung, Sklaverei. Intrigen und Verbündete durchziehen die Irrwege der
Morisken und der Protagonisten des Buches von Juviles über Granada bis hin nach
Cordoba und über das Meer hinweg in arabisches Hoheitsgebiet. Hierbei gelangt
Hernando durch harte Zeiten und glückliche Zufälle in geachtete Postionen
sowohl seines Volkes als auch des spanischen Adels, gewinnt vieles, wird aber
auch immer wieder hart zurückgeworfen bis zum Ende des Buches hin.
Die geschichtlichen und lebendig geschilderten Abläufe bindet Falcones spannend
und mit differenziert gezeichneten Figuren hinein in die dramatische Lebens- und
Familiengeschichte Hernandos mit seiner Treue zur Mutter, zu seiner späteren
Ehefrau, seinen Kindern, seinen muslimischen Wurzeln, seinen Freunden, aber auch
seinen lebenslangen Kampf gegen den ihn hassenden Stiefvater und weitere,
erbitterte Feinde und Neider, die im Lauf der langsam sich entfaltenden
Geschichte hinzutreten.
Diese angelegte Breite der Geschichte in Zeit und Raum und die hohe
Detaildichte im Blick auf das ausgehende, muslimische Leben im Spanien des 16.
Jahrhunderts sind es, die Falcones deutlich abheben von anderen
episch-geschichtlichen Betrachtungen in Romanform. Jeder Seite des Buches ist ab
zu spüren, dass Falcones tief und mit eigener, innerer Beteiligung in die
historischen Erkenntnisse über das moriskische Drama eingedrungen ist.
Es verwundert daher nicht, dass er es, in sprachlich bester Form, versteht, die
Schönheit muslimisch Bauweise und Kultur, gerade auch im Blick auf die
menschlich wertschätzende und von Achtung geprägte Form des Islam, feinfühlig
darzustellen und damit einen wichtigen Baustein in die Diskussion über den
Islam auch unserer Tage mit ein zu bringen. Ohne dabei die Schattenseiten der
damaligen muslimischen und christlichen Welt zu verschweigen.
Fazit
Ein mit besten Zutaten aus fundiertem Faktenwissen, geschichtlichen Ereignissen
und einer wechselvollen und spannenden persönlichen Geschichte gewürztes Buch,
sprachlich flüssig und hervorragend geschrieben, das ein langanhaltendes und
mitreißendes Lesevergnügen in den Raum stellt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 23. September 2010 2010-09-23 18:57:06