Reibung und Kampf für den eigenen Weg
Bernward Vesper, Herrmann Hesse, Klaus Mann, Franz Kafka, Martin Luther,
Franziskus, Michael Ende sind jene begabten, begnadeten, teils im Genie
verhafteten Männer, deren Lebensgeschichte Alois Prinz in seinem Buch
nachvollzieht, beschreibt, mitgeht.
Eine Lebensgeschichte jeweils, die unter besonderem Augenmerk auf die
schwierigen Beziehungen der genannten Männer zu ihren Vätern stehen. Nicht um
pubertäre Abgrenzungen geht es, nicht um die ein oder andere Streitigkeit,
sondern Alois Prinz versteht es, die Tiefe der grundsätzlichen Reibung zwischen
den Söhnen und ihren Vätern auszuloten.
Eine solch grundsätzliche Verschiedenheit, die den gesamten Lebensweg, die
Haltungen und Einstellungen, aber auch das künstlerische Werk dieser Söhne im
Geflecht der Vaterbeziehungen geprägt hat.
So, wie Franziskus von Assisi in der berühmten Szene seinem Vater selbst noch
die Kleidung vom Leib zurückgab, damit ihn nichts mehr mit seinem Vater und der
Haltung und Welt, für die dieser stand, verbinden sollte, so ringen alle
genannten mit der grundlegenden Divergenz zu ihren Vätern.
Ein Ringen, welches das gesamte Leben und Schaffen begleitet, welches die dann,
so vorhanden, je eigenen Beziehungen zu den eigenen Nachkommen nachhaltig mit
geprägt hat. Dass Hermann Hesse Zeit seines Lebens, obwohl er seinen Kindern
durchaus innerlich zugetan war, diese Zuneigung nur in eine kräftige, äußere
Distanz fassen konnte erschüttert fast beim Lesen, in solch emotionalen Nähe
versteht es, Alois Prinz gerade aufgrund seines nie wertenden, eher nüchternen
und beschreibendem Stil, den Leser mit hinein zu nehmen in die inneren
Verletzungen. Durchaus bis zum Suizid reichen die niederdrückenden Kräfte der
geschilderten Beziehungen.
Sei es ein Sohn von Hermann Hesse, sei es Klaus Mann.
Die immer wieder gehemmte Entfaltung durchaus vorhandener, kreativer und
künstlerischer Kräfte durch den strengen Blick, die stete Abwertung des Vaters
ist in diesem Kapitel über Klaus Mann schmerzlich fühlbar mit im Raum. Ein
Schmerz, an dem Klaus Mann letztlich zerbrach.
Dass auch ein anderer, konstruktiverer Umgang mit einem Verneinenden Vater
möglich wäre, zeigt demgegenüber die Lebensgeschichte des Franziskus und
seine Haltung dem Vater gegenüber nach dem Bruch. Ein ermutigendes Moment im
Buch.
Eindrucksvoll, dass Alois Prinz auf jede Form äußerer oder innerer
Schuldzuweisung verzichtet, sondern die beteiligten Menschen in ihrer geprägten
Persönlichkeit und den Folgen dieser Prägungen für die Vater-Sohn Beziehungen
präzise darzustellen vermag. Eine letztlich unlösbare Beziehung, zu sehen an
Hermann Hesses Reaktion auf die Nachricht vom Tod des Vaters, dem daraufhin sein
eigenes Leben vorkam wie ein Weg, der stetig vom Vater hinfort und nun doch
wieder auch innerlich zum Vater hin führt.
Lebenslänge Kämpfe von Nähe und Distanz, von Prägung und Verbindung, Lösung
und Gefühlen bis zum Hass treten durch Alois Prinz lebendig in den Raum und
eröffnen auf alle genannten Männer einen noch einmal neuen, menschlich
verständnisvolleren Blick. Allein schon die andere Sichtweise, zu der eine
ganze Reihe nicht allgemein bekannter Erlebnisse und Fakten gehört, macht das
Buch zu einem Gewinn.
Die auf den Punkt gebrachten und geschilderten inneren Bindungen und Kämpfe
aber lassen den Eindruck der Lebensgeschichten noch lange nachhallen und gehen
durchaus über die konkret geschilderten Personen hinaus auf das
Allgemeingültige der Eltern Kind Beziehung und der lebenslangen Prägungen hin,
die durch diese Entstehen.
Franz Kafka schreit es fast heraus: "Aus Liebe wollen sie es, aber das ist
das Entsetzliche". Weil all die genannten Söhne anders waren, als die
Väter, waren sie den Vätern fremd und wurden abgelehnt. Aber nur weil ein
anderer uns fremd ist, muss die Reaktion nicht Ablehnung sein, das erfahren wir
zu guter Letzt im Epilog des Buches und das verbleibt für den eigenen, weiteren
Weg.
Fazit
Ein herausragendes Buch zu einem wesentlichen Thema des Lebens, ruhig und mit
nötiger Distanz geschrieben und dennoch nahe gehend im Geschilderten.
Vorgeschlagen von Lesefreund
[Profil]
veröffentlicht am 09. September 2010 2010-09-09 11:23:04