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Stephan Serin: Föhn mich nicht zu. Aus den Niederungen deutscher Klassenzimmer

Föhn mich nicht zu. Aus den Niederungen deutscher Klassenzimmer

von Stephan Serin
Verlag: Rowohlt Verlag [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Satire
ISBN-13 978-3-499-62670-8

Preis: 1,10 Euro bei Amazon.de [Stand: 25. Dezember 2024]
Stephan Serin sah seinem ersten Arbeitstag als Referendar optimistisch entgegen. Ziemlich sicher wäre er der einzige Referendar an der Schule mit einem soliden Wissen über Hip-Hop - seine Schüler würden ihn vergöttern. Auf den Praxisschock muss der Lehrer für Französisch und Geschichte nicht lange warten. "Erwarten Sie nicht, dass ich mich um Sie kümmere," wird er im Lehrerzimmer von seiner Betreuerin im Fach Geschichte begrüßt - "Referendare sitzen immer am Kopierer". Der natürliche Feind eines Referendars ist demnach nicht der Schüler, sondern der bereits verbeamtete Lehrer. Serins Seminarleiter war offensichtlich schon seit der Zeit der Feuerzangenbowle nicht mehr in einer Schule und ist dem Berufsnachwuchs bei Disziplinproblemen mit schlagfertigen Schülern keine Hilfe.

Serin, der selbst noch zu DDR-Zeiten zur Schule ging, hatte bislang immer in ganzen Sätzen gesprochen. Von den Schülern eines Gymnsaiums in Berlin-Mitte darf er das nicht erwarten. Damit seine Schüler ihn verstehen, muss er in kurzen einfachen Sätzen mit ihnen sprechen. Einen Satz wie "Könn wir heute Film kucken?" würde man als unbedarfter Nicht-Berliner eher von Erkan und Stefan erwarten als von einem Schüler einer 8. Klasse. In einer von Serins 9. Klassen waren 80% Migrationshintergründler, die miteinander unverkrampft ausländerfeindlich umgingen. "Der Pole war es!". Serin ist zunehnemend beunruhigt, warum seine Kollegen, die alle schon vor der Wende an dieser Schule waren, die Sprachlosigkeit ihrer Schüler ungerührt hinnehmen.

Der neue Referendar geht allmählich auf die 30 zu und entwickelt Existenzängste, ob er seine Prüfung schaffen und ob er je eine Stelle bekommen wird. In Serins Alpträumen werden Lehrer wieder zu Schülern und auch in Gesprächen mit dem Hauptseminarleiter fühlt er sich eher wie ein Schüler. Der Berufsnachwuchs ist als Hospitant bei seinen erfahrenen Kollegen alles andere als willkommen.

"Aus den Niederungen deutscher Klassenzimmer" berichtet der Autor mit bitterem Sarkasmus. Für den, der sich mit der Situation an deutschen Hauptschulen beschäftigt hat, wirken die Szenen aus Mittel- und Oberstufe eines Gymnasiums nur makaber. Jugendliche, die weder ihre Mutttersprache noch Deutsch in ganzen Sätzen sprechen, kann man sich kaum im Englisch- oder Französisch-Unterricht vorstellen. Das Zeugnis, das ihre Versetzung in die 10. Klasse dokumentiert, wird vermutlich reinen Erinnerungswert haben und kaum einem Schüler zu einem Ausbildungsplatz verhelfen.

Nachdem ich kurz zuvor Deutschland schafft sich ab und Kirsten Heisig: Das Ende der Geduld gelesen hatte, war für mich die Schlüsselszene des Buches das Elterngespräch mit der Mutter eines arabisch-stämmigen Schülers. Der Sohn übersetzte für seine Mutter ins Arabische und verdrehte natürlich die Konflikte, über die sein Lehrer zu klagen hatte, zu seinen Gunsten. Braver Schüler - guter Sohn, alles bestens, Schuld sind immer andere.
Fazit
Serin lässt in seiner bitteren Satire Pisa-Verlierer, die viele sonst nur aus Statistiken kennen, live auftreten. Das Lachen über die Lehrer-Schüler-Dialoge wird manchem im Hals stecken bleiben.
7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne7 Sterne
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Vorgeschlagen von Helga Buss [Profil]
veröffentlicht am 08. September 2010

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