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Jane Christmas: Reisen mit Mama

Reisen mit Mama

von Jane Christmas
Verlag: Malik [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Biografie
ISBN-13 978-3-89029-381-3

Preis: 16,50 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. Dezember 2024]
Nähe und Distanz

Der rote, auffällige Rollator ist das wichtigste Hilfsmittel, an dem Jane Christmas Mutter sich allüberall festhält. Ohne geht es nicht. Vor allem nicht auf der gemeinsamen, auf sechs Wochen hin angelegten Reise des kanadischen Tochter - Mutter Gespanns nach Italien.

Diese Reise nach Italien, die Motivation zur Reise durch Jane, einerseits ihre "Liebe" Italien persönlich kennen zu lernen und andererseits ihr lebenslang angespanntes Verhältnis zur Mutter in eine befriedete Ordnung zu bringen, dem Wunsch ihres vor kurzen verstorbenen Vaters folgend, ist die Geschichte dieses Buches.

Vom leicht humorig wirkenden Untertitel her wäre entweder eine anrührende Geschichte über das Leben mit nachlassenden Kräften zu erwarten oder eine humorige Aneinanderreihung von situationskomischen Erlebnissen mit dem Rollator in engen Gassen auf unebenem Kopfsteinpflaster. Gut, dass beide assoziativen Erwartungen das Buch letztlich nicht ausmachen. Dies ist allerdings auch der einzige deutliche Kritikpunkt am Buch, der gewählte Untertitel löst einfach falsche Fantasien aus und schreckt eher ab, denn dass er neugierig macht auf diese durchaus ernstzunehmende und sprachlich gut und flüssig geschriebene Geschichte. Die Geschichte einer Reise, einer Selbstfindung und einer versuchten Beziehungsklärung, bei der Hoffnungen, Sehnsüchte, schöne Erlebnisse und heftig enttäuschte Erwartungen auf allen Ebenen ineinanderfließen, sich gegenseitig bedingen und doch, zum Schluss hin, in eine versöhnliche, innere Haltung münden.

Sicherlich ist die ein oder andere Beschreibung der bärbeißigen, kühl distanzierten Mutter, deren wichtigstes Beziehungsthema zur Tochter deren unmögliche Frisur ist und die mitsamt ihrem Rollator Italien, vor allem aber die eigene Tochter, durchaus von Verwunderung über Staunen und Hilfsbereitschaft bis zur offenen Ablehnung bringt von Situationskomik durchzogen. Diese verbleibt allerdings unaufdringlich, liegt tatsächlich in der geschilderten Situation selber begründet und wird von der Autorin nicht marktschreierisch ausgeschlachtet.

Der tiefere Eindruck des Buches rührt aus der Vielzahl enttäuschter Erwartungen und der inneren Reaktion auf diese her. Jane Christmas erzählt ihre Geschichte allein aus ihrer Perspektive und versteht es, den Leser mit auf ihre verschiedenen Reisen zu nehmen. So erfahren wir eine Menge über die andere, nicht bunt bemalte Seite Italiens, schlechtes Wetter, schlechtes Essen, keine Rücksicht auf Behinderte und viele unfreundliche Dienstleister. Dem gegenüber eine Freude dann die Lichtblick der etwas anderen Reise. Herzlichkeit, überraschende Schönheiten an ganz unbekannten Orten, kleine Museen, die das Herz öffnen und weltbekannte, die nicht nur die Autorin seltsam unberührt lassen. So revidiert sich in Jane Christmas die zu Beginn der Reise kritiklose Italienverehrung zu einer realistischen und dennoch am Ende liebevollen Sicht auf das Land.

Eine Entwicklung, die natürlich begleitet wird vom zweiten Hauptzweck der Reise, der Befriedung mit der Mutter. Hier versteht es Jane Christmas, dem inneren Zwiespalt einen wunderbaren und nachvollziehbaren Ausdruck zu verleihen. Vom zur Explosion reizenden Generve der Mutter über alles und jeden und so gut wie jede Unterkunft und Ortschaft über berührende Betrachtungen der Hinfälligkeit, der Unmöglichkeit, an vielen Orten mit der stark eingeschränkten Mutter jenes Italien überhaupt zu finden und dann zu genießen, welches Jane sucht bis hin zur Sprachlosigkeit über viele Verletzungen der Kinder- und Jugendzeit und den weiterhin unterschwellig angreifenden Vorwürfen der Mutter lässt die Autorin den Leser an der inneren Vielfalt der Beziehung teilhaben. Die durchaus vorkommenden Zusammenbrüche sind auf diesem Hintergrund äußerst verständlich.

Dass die Befriedung mit der Mutter, eigentlich mit den Eltern, letztlich eine ganz eigene, innerpersönliche Angelegenheit ist, die durch das berührende und berührend geschilderte Kunstwerk La Vedove von Ernest Bazzaro plötzlich offen vor Augen liegt führt zu guter Letzt die Geschichten und Stränge des Buches ineinander und zusammen. So hat doch noch Italien es geschafft, Jane Christmas zu berühren und ebenso den inneren Frieden mit Mutter zu befördern.
Fazit
Flüssig und gut geschrieben mit vielen Eindrücken eines anderen als des touristischen Italien und mit einer ehrlichen Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte und des Verhältnisses zur Mutter geschrieben ist Jane Christmas ein hoch informatives Buch mit wirklicher Tiefe gelungen.
8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne8 Sterne

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Vorgeschlagen von Lesefreund [Profil]
veröffentlicht am 08. September 2010

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