Späte Rache und politische Interessen
In eine mehr und mehr anderer Richtung als zu Zeiten, in denen Hennig Mankell
sich seinen Kult Status erschrieben hat, entwickelt sich sein Werk in den
letzten Jahren.
Eine Entwicklung, die vor allem durch seine stärker werdende Zuwendung zu
Afrika hin gekennzeichnet ist.
Eine Themenorientierung, die auch im vorliegenden Buch deutlich zum Tragen
kommt.
Es beginnt, wie so manch bekannter Wallander, mit einem unerklärlichen und
grausamen Kriminalfall. 18 Bewohner eines kleinen Dorfes in der Einöde
Schwedens sind auf grausame Art und Weise getötet worden. Alle Spuren und
Vermutungen des herbeieilenden Ermittlerteams laufen ins Nichts, nur eines steht
fest: von den 21 Bewohnern des Dorfes sind 18 ermordet worden und alle Toten
waren zumindest weitläufig miteinander verwandt. Jene 3 Bewohner, die keine
verwandtschaftlichen Beziehungen zum Rest des Dorfes hatten, überlebten.
Aus privatem Interesse recherchiert die, sich in einer privaten und
gesundheitlichen Krise befindliche, Richterin Roslin auf eigene Faust in diesem
Fall. Sie fühlt sich durch Bilder des Ortes an ihre eigene Familie erinnert und
will klären, ob auch sie mit den ermordeten Dorfbewohnern etwa auf die ein-
oder andere Weise verwandt sein könnte.
Eine Recherche, die auf weit verzweigte, absonderliche Wege führt.
So stellt sie fest, dass ein ähnliches Verbrechen in einem Dorf in Nevada,
Amerika, stattgefunden hat. Auch dort traf es miteinander verwandte Menschen.
Just Verwandte jener Familie aus dem kleinen Dorf in Nordschweden, denn einer
der Bewohner war nach Amerika ausgewandert und hatte dort bei der Vermessung des
Landes zum Bau der Eisenbahn mitgearbeitet.
Sollte hinter all den grausamen Verbrechen eine lang zurückliegende
Familienfehde zugrunde liegen?
Ganz falsch liegt Richterin Brigitta Roslin mit ihrer Vermutung nicht, aber im
Verlauf des Buches wird doch deutlich, dass sie in eine ganz andere Form von
Verschwörung hineingerät. Das Bild eines Chinesen, dass sie unter den
Hinterlassenschaften eines der schwedischen Dorfbewohner findet, führt sie nach
Peking, Dort entfaltet sich, neben einer alten, familiären Rache, eine
weitverzweigte und geheime politische Überlegung, mit der die einflussreiche
Machthaber in China der zunehmend schwierigeren Führung des eigenen Volkes zu
begegnen denken.
Anhand zweier Gegenpole innerhalb einer mächtigen Familie des Landes entfaltet
Mankell den traditionellen politischen Gegensatz zwischen Abschottung Chinas und
imperialistischen Tendenzen, die sich in Richtung Afrika wenden.
Leider tritt der mitreißend und spannend zu Grunde liegende Beginn in
Krimi-Manier durch diese Wendung der Entfaltung der Geschichte mehr und mehr in
den Hintergrund, die Lösung des reinen Kriminalfalles wirkt so doch reichlich
konstruiert und wie nebensächlich im Buch platziert, auch wenn Mankell diese
Lösung in den imperialistischen Kontext zu stellen versteht.
Die Wendung im Buch hin zum Genre des Polit-Thrillers allerdings leider
demgegenüber an einer mangelnden Glaubwürdigkeit des verschwörerischen
Vorhabens, so dass im Gesamten das Buch mehr und mehr in eine Form der Schwebe
gelangt, die hier und da durchaus unbefriedigt lässt. Eine Schwebe und leichte
Verwirrung, die auch mit den vielfachen Handlungssträngen und auftretenden
Personen zusammenhängt. Eine größere Konzentration auf einen oder zwei
Handlungsstränge hätte dem Buch sicherlich gut getan.
Andererseits versteht Mankell natürlich erwiesenermaßen sein
schriftstellerisches Handwerk. Die Personen sind gründlich und detailreich
gezeichnet, die Emotionen hervorragend nachvollziehbar und die Geschichte selber
auf allen Ebenen, abgesehen von den Voraussetzungen, in sich logisch, von
außen betrachtet aber hier und da zu weit hergeholt.
Fazit
Kein Buch also für eingefleischte Wallander-Fans, durchaus aber interessant im
Blick auf eine mögliche Gefahr chinesischer Ausbreitungsinteressen.in Richtung
Afrika und auf die Hintergründe der gegeneinander stehenden politischen Linien
im China der Gegenwart und der jüngeren Vergangenheit.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 01. September 2010 2010-09-01 17:01:09