Nike, Nathan und Paul sind unzertrennlich. Die Dreierbande war in der Hamburger
Rappstrasse berüchtigt für ihre Streiche; nach vollbrachter Tat prangte
häufig der Abdruck einer schwarzen Hand an der nächsten Hauswand. Dass Nike
als Mädchen im Jahr 1938 selbststverständlich einen Rock trägt, kann sie
nicht davon abhalten, sich wie ein Junge zu benehmen. Als Oberschülerin sollte
Nike sich am Nachmittag nicht mehr mit Jungs auf der Straße rumtreiben,
kritisiert Nikes Mutter. Die Sorgen, die Nikes Mutter über ihre burschikose
Tochter ausspricht, sind nur ein Bruchteil dessen, was Eltern in den 30er Jahren
fürchteten. Es wird Zeit, Nike damit zu konfrontieren, dass die Dreierbande mit
ihren Streichen nicht nur sich selbst, sondern auch die Familien in Gefahr
bringt. Längst bestimmt die Kontrolle durch Blockwarte und die
Zwangsmitgliedschaft für Jugendliche in Hitlerjugend und BDM den Alltag. Pauls
Eintritt in die Hitlerjugend stellt die Freundschaft der drei Hamburger auf eine
ernste Probe. Wie viele damals spielt Paul die Sache herunter: Ich gehe doch da
nur Fußball spielen, verkündet er. Nikes Eltern betreiben ein Antiquariat, sie
sind persönlich und geschäftlich von den Bücherverbrennungen der
Nationalsozialisten und dem Verbot "entarteter" Künstler und
Schriftsteller betroffen. Nike muss selbst erleben, dass in Deutschland
inzwischen zweierlei Recht herrscht, eins für die Bürger und eins für die
Mitglieder der NSDAP oder der SA. Eltern können ihre Kinder nicht mehr
beschützen, sie können sie nur warnen und hoffen, dass kein Wort aus der
Familie nach draußen dringt. Jedes Wort, das Kinder in der damaligen Zeit zu
Hause aufschnappten, konnte die gesamte Familie in Gefahr bringen. Nikes und
Nathans Eltern sprechen mit ihren Kindern für die damaligen Verhälntisse
außergewöhnlich offen und kritisch über den Nationalsozialismus und ihre
Zukunftspläne.
Die Emigration des Hausarztes und das Verschwinden jüdischer Lehrerinnen und
Schülerinnen aus Nikes Schule sprechen eine deutliche Sprache. Nike muss
einsehen, dass ihre beginnende Liebe zu Nathan, der Jude ist, nun verboten ist.
Auch wenn die Erwachsenen inzwischen aus Angst auf Distanz zu Nathans Familie
gehen, Nike will die Beziehung zu Nathan um jeden Preis aufrechterhalten.
Während Nathans Familie von der Deportation in ein Konzentrationslager bedroht
ist, sieht sich Nike mit ihrer verbotenen Liebe zwischen den Ansprüchen ihrer
Eltern (du bist dafür viel zu jung) und dem Druck, endlich in den BDM
einzutreten, in einer aussichtslosen Situation.
Im Glossar finden sich weitere Informationen zum Schicksal Hamburger Juden (u.
a. zur der Talmudschule am Grindelhof und der Israelitischen Töchter-Schule an
der Karolinenstrasse), die Recherche der Autorin lässt sich im
Literaturverzeichnis nachvollziehen.
Fazit
Für Kinderstreiche war die Zeit des Nationalsozialismus ein gefährliches
Pflaster. Damals zerstörte die Angst, Kinder könnten etwas ausplaudern, das
sie zu Hause zufällig gehört hatten, die Beziehungen in vielen Familien.
Margret Steenfatt hat mit Nike eine für ihre Zeit sehr burschikose Heldin
geschaffen. Am Beispiel der Freundschaft zwischen einem Juden, einem Mitglied
der Hitlerjugend und einem Mädchen aus bürgerlichem Haus, die durch die
politischen Verhältnisse unmöglich erscheint, gibt uns die Autorin Einblick in
das Leben Jugendlicher in Hamburg in den Jahren 1938 bis 1941. Empfohlen für
Leser ab 12 Jahren.
Vorgeschlagen von Helga Buss
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veröffentlicht am 01. September 2010 2010-09-01 09:09:59