Dieses Buch einem Genre zuzuordnen könnte leichte Probleme bereiten. Auf jeden
Fall sollte man die Schublade für Satireromane bemühen, gegebenenfalls noch
mit einem kleinen Fach für Science Fiction. Die in die Handlung eingebetteten
Themen sind politisch und gesellschaftlich hochbrisant und aktuell im
Deutschland von heute. Der Autor erzählt in einer lockeren und flüssigen
Sprache, beinahe umgangssprachlich, in jedem Fall zeitgemäß. Durch das
Einflechten von tausend kleinen Dingen aus jedermanns Alltag gibt es unzählig
viele Wiedererkennungspunkte, sei es eine Fernsehwerbung, ein Radiospot, ein
Spielfilm, ein Musiktitel oder eine Fernsehserie, deren Ähnlichkeit mit
"Ditsche" nicht verborgen bleibt oder bleiben soll. Viele kleine
Einzelheiten, damit sich nahezu jeder Leser darin wiederfinden kann. Doch so
schnell der Text auch lesbar ist, so schnell ist er durch diese vielen kleinen
Details auch vergänglich. Die Leser in ein bis zwei Jahren werden sich
vielleicht nur noch an die Hälfte der Dinge erinnern.
Es mag an der heutigen Zeit liegen, aber so viel Spaß das Lesen auch bereitet,
die Geschichte, die erzählt wird, ist etwas dünn. Es geht um Hartmut und ich,
die aus dem Ruhrpott ausgebrochen sind, um in Berlin jetzt ihr Ding zu machen.
Ein Gespräch bei einem Verlag ist der äußere Anlass dafür. Doch dann geht es
um die Suche nach einem Job. Hartmut und ich müssen feststellen, dass zwar
überall Arbeit in Mengen vorhanden ist, aber dass nicht unbedingt dafür
bezahlt werden soll. Praktikum, Freiberufler und erst mal zeigen, was man kann,
bevor dann eventuell vielleicht unter Umständen über die Zahlung eines Gehalts
nachgedacht werden kann. Aber das ist nicht die einzige Frustration, die die
beiden durchleben müssen. Die Russen mit ihrer Schutzgelderpressung wegen der
Mietwohnung gehen ihnen gegen den Strich. Albaner, Türken und Russen können
sie bald eh nicht mehr auseinander halten. Dann kommt da noch das
Moralministerium, welches so ungeheuer schnell Gesetze umsetzt, noch dazu
rückwirkend, dass man sich um deren Einhaltung schon gar nimmer kümmern kann.
Schließlich gründen Hartmut und ich und ihre beiden Freundinnen ein
Taxiunternehmen der ganz besonderen Art. Dafür bemühen sie sich um
Förderdarlehen beim Moralministerium, kaufen und sanieren ein Firmengelände in
einem ausländerfeindlichen Stadtteil und werden zum Shootingstar unter den
Jungunternehmern, wobei sie sich nebenbei auch noch einen Angriff der braunen
Bande abwehren müssen. Aber davor waren sie schon mit Geschütztürmen und
doppelten Wachschutz gewappnet. Die Geschichte erzählt also von Menschen, die
einfach nur ihre Arbeit machen wollen, um Geld zum Leben zu verdienen und den
ganz normalen Alltag im heutigen Berlin zu bestreiten. Auch auf einen
Protagonisten von einem ganz besonderen Schlage wartet der Leser vergeblich,
wenn, dann sind es natürlich Hartmut und ich und gegebenenfalls noch ihre
Freundinnen. Als Charaktere sind sie nicht eindringlich ausgearbeitet, was aber
wegen der vielen Geschichtchen und besonders wegen dem Umgang mit ihnen,
explizit mit "ich", kaum auffällt. Obwohl beide in der Handlung
durchaus getrennt sind, scheinen sie unentwegt im Doppelpack aufzutreten. Und
obwohl "ich" das alles erzählt, stellt sich selbst am Ende noch die
Frage: Wer ist eigentlich "ich"?
Fazit
Die Aneinanderreihung vieler kleiner Anekdoten aus dem Tagesgeschehen und ihre
Erzählweise machen den Spaß aus. So schafft der Autor ein ziemlich gutes
Spiegelbild der heutigen Gesellschaft. Wenn es sich größtenteils nicht bereits
um Realsatire handeln würde, könnte man den Roman auch als bitterbösen
schwarzen Humor bezeichnen.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 26. September 2010 2010-09-26 13:31:19