Echte Seefahrtsgeschichten
Die Weite des Meeres ist seit Jahrhunderten nicht nur ein literarischer Ort,
sondern ein ganz handfester Arbeitsplatz, auf dem vieles erlebt werden kann und
erlebt wird. Stefan Krückert hat die Geschichten von 26 Kapitänen gesammelt,
Achim Multhaupt faszinierende schwarz- weiß Porträts erstellt und beide
gemeinsam haben das Ergebnis in ein, schon in der Form, wundervoll gestaltetes
Buch zusammengestellt, dass von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.
Wie Heinz Götzie die harten Kerle der Fischdampfer aus seiner Erfahrung heraus
charakterisiert, die Anekdoten aus Bordell, Tresen und den harten Nächten auf
dem Nordmeer lakonisch mitteilt und zugleich die Geheimnisse seines
Führungsstils offenlegt, lässt einen fast das Salzwasser und die Anstrengung
beim Einholen der Netze schmecken, ebenso, wie die Enge auf dem Schiff und die
damit einhergehende Aggression spürbar in den Raum tritt. Nebenbei erfährt man
noch, was damals ein Haarschnitt von der "Kalten Hand" bedeutete.
Dramatisch die Erinnerungen von Peter Lunau an die Explosion auf dem Schiff und
die Tage danach im Rettungsboot auf offener See. Gerade wirksam, weil er in
solch emotionsloser Sachlichkeit seine Geschichte zu erzählen versteht.
Ganz anders gelagert die Rettung eines Republikflüchtlings aus der DDR, der auf
der Ostsee von einem Kreuzfahrtschiff gesprungen war, durch das U-Jagdboot
"Najade" unter Kapitän Wolfgang Jungmann. Ein Stück kalten Krieges
mitsamt dem Zusammenstoß mit dem Kreuzfahrtschiff
"Völkerfreundschaft", das so gar nichts von Seefahrer Romantik in
sich trägt, wohl aber den rauen Alltag jener Jahre treffend beschreibt.
Geschichten über Geschichten aus verschiedenen Zeiten. Deftige Anekdoten,
gefährliche Momente, Unglücke, lehrreiche Geschichten, ein prallvolles Buch
voller Lebendigkeit und Erinnerungen, die von einer längst vergangenen Zeit bis
fast in die Gegenwart reichen.
Piraten kommen übrigens auch vor und auch ansonsten gibt es noch eine Menge zu
entdecken in den Geschichten der Kapitäne, die Stefan Krückert bestens
ausgewählt und bearbeitet hat. Die Porträts sind ebenfalls durch die Bank weg
gelungen und vermitteln einen anschaulichen Eindruck der Persönlichkeit des
jeweiligen Erzählers.
Fazit
Ein Buch für alle, die manches Mal mit Sehnsucht über das Meer blicken.
Jenseits aller Hollywoodromantik handfeste Seemannskost, mitten aus dem Leben
gegriffen, überzeugend zusammengestellt und bestens zu lesen. Natürlich hier
und da mit ein wenig Seemansgarn an Übertreibung und Dramatik versehen, was
aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch zufügt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 14. Juli 2010 2010-07-14 23:19:30