Maradonna und mehr
Bücher, vor allem Romane oder literarische Erzählungen um, über und zum
Fußball, leiden oft entweder an pathetischen Überhöhungen Testosteron
geladener Gladiatoren Romantik oder schlicht und einfach an einer massiven
Portion Kitsch.
Der Professor der Geschichte und Schriftsteller Eduardo Sacheri, in Buenos
Aires geboren, dem Fußball mit der Muttermilch quasi bereits hingegeben, geht
andere, sehr interessante Wege einer Annäherung an die Verankerung des
Phänomens Fußball in der Gesellschaft Argentiniens.
Wer wirklich wissen will, warum Diego Armando Maradonna einen solch unendlichen
Status in Argentinien besitzt und niemanden dort gleichgültig lässt, im
Positiven, wie im Negativen, der hat nun eine große Chance, dieser
Heldenverehrung auf dem Hintergrund des Falklandkrieges nicht nur mit dem
Verstand zu verstehen, sondern wirklich nachfühlen zu können. Dass Maradonna
gerade gegen England einerseits das unfairste Tor des Jahrhunderts erzielte (mit
der "Hand Gottes"), andererseits das reelle Tor des Jahrhunderts, dass
wird ihn für immer unsterblich machen in den Augen der Argentinier. Die
Unmöglichkeit, sich dem zu entziehen und die Akzeptanz auch jeden unfairen
Mittels wird in der Erzählung "Sie müssen mich schon entschuldigen"
emotional wunderbar tiefgehend deutlich.
So, wie in jeder der Geschichten in eleganter Sprache (Fußball-) Themen des
Alltags angesprochen werden, jede der Geschichten zeigt von einer anderen Seite
her die Verwurzelung dieses Sports im Volk.
Der unbedingte Siegeswille, der sich um Regeln oft nicht schert, zeigt sich in
seiner Entstehung in der Erzählung über die Freunde, die jedes Jahr zum Match
antreten, immer verlieren und nun auf Tito warten, denn dieses Jahr soll alles
anders werden (und wird es auch, auch wenn Tito vielleicht gar nicht kommt).
Ebenso gelingt es Sacheri in "Fallrückzieher" herauszuschälen, wie
unglaublich schnell die Zeit vergeht, wenn man hinten liegt, wenn die Nerven
blank liegen und der Sieg erzwungen werden soll, werden muss.
Nicht nur im Spiel auf dem Rasen ist diese emotionale Dichte und das emotionale
Auf und Ab beim Versuch, einen Ausgleich des Lebens wieder herzustellen eine
innere Realität.
Kleine und große Begebenheiten sind es, die Eduardo Sacheri als Ausgangspunkt
seiner Erzählungen nimmt und mit kräftiger Sprache in ihren inneren
Bedeutungen unnachahmlich entfaltet. Weder Pathos noch Kitsch hat hier Platz,
das menschlich allzu menschliche dafür umso mehr. Immer wieder wird der Rasen
zur dramatischen Bühne des Lebens an sich, eine Bühne, auf der Sacheri gekonnt
große Emotionen erzählt, immer unterhaltsam, immer mit eleganten Schlenkern,
immer den Ball am Fuß des Geschehens.
Fazit
Eduardo Sacheri ist es gelungen, die Innensicht des Spiels, des Erlebens und der
Bedeutung des Fußballs offen zu legen. In kleinen, feinen Erzählungen, deren
Spannbreite vom Bolzplatz um die Ecke bis zum ausverkauften
Weltmeisterschaftsstadion reicht. In feiner und eleganter Sprache, die immer die
Kraft der Emotionen herausstellt, zieht er auch nicht am Fußball Interessierte
in den Bann der Faszination, zumindest für die Protagonisten und deren innere
Erlebniswelten, die er beschreibt.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 13. Juli 2010 2010-07-13 19:53:49