Reale Virtualität
Ein für ihn neues Themenfeld legt Jeffery Deaver als Grundlage seines neuen
Buches: Die virtuelle Welt der Blogs und Online-Spiele und das Verwischend er
Grenzlinie zwischen virtueller Welt und Realität.
Gut gewählt in diesem Zusammenhang von ihm, dass seine Protagonisten Kathryn
Dance in Bezug auf die Weiten des Internet eher unbedarft ist. So gelingt es
Deaver, vermittels des sich Hineinarbeitens der CBI Agenten in das Thema auch
dem ein oder anderen ebenfalls eher unbedarften Leser diese millionenfach
genutzt "Nebenwelt" und deren Regeln nahe zu bringen. Selten zumindest
wurde die Sequenz eines Online Spieles in solch dichter und packender Form
geschildert, so dass auch dem unkundigen Leser sich die Faszination dieser
Spielwelten auf zig Millionen von, teilweise durchaus süchtig zu nennenden,
Spielern erschließt. Ebenso werden die Augen über die rasante Verbreitung von
Beiträgen, Meldungen und Nachrichten über das Internet geöffnet, in vielen
Fällen eben ohne auch nur die geringste Prüfung auf den Wahrheitsgehalt all
dieser Meldungen und Mitteilungen.
Aus dem Mobbing eines Blogs heraus scheint eine Anzahl von Anschlägen auf
Blogger entsprungen zu sein, die einen jungen Mann, Travis, von allen Seiten her
wegen eines Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen bedrängen. Nach und nach
erscheinen Kreuze an Wegrändern, wie nach Verkehrsunfällen oft üblich,
allerdings mit der Besonderheit, dass auf zukünftige Daten verwiesen wird.
Mehrere Personen, die im Blog gegen Travis vom Leder gezogen haben, werden zum
entsprechenden Datum Opfer von Anschlägen, nur mit Glück entkommen die
Betroffenen den tödlich geplanten Fallen.
Schritt für Schritt setzt sich Kathryn Dance mit Ihren Kollegen, unterstützt
vom (natürlich hoch attraktiven) Informatik Professor Jon Boling, auf die
Fährt von Travis. Zudem holt ein alter Fall sie ein, in dessen Verlauf ihre
Mutter unter Mordverdacht gerät.
Wo lässt sich Travis, begeisterter Online Gamer und Internet Freak, finden? In
den Weiten seines bevorzugten Spieles? Welche Rolle spielt Jim Chilton,
Betrieber des Blogs, um den sich im Buch alles dreht und selbsternannter
Aufklärer der Nation? Wie verwaschen sind bereits die Grenzen zwischen
virtuellen Welten und Realität? Fragen, denen Kathryn Dance in genreüblichen
kurzen Kapiteln nachgeht und bis zum völlig überraschenden Ende lange Zeit
selber im Dunkeln tappt.
Jeffery Deaver schreibt gewohnt flüssig und gut lesbar, ein wenig verwirren
die verschiedenen Stränge der Nebenhandlungen. Ebenso ist der, fast schon
üblich natürlich vorhandene, Liebesreigen diesmal nicht von besonderem
Interesse im Buch, auf diesen Teil hätte er in meinen Augen ohne weiteres
einmal ganz verzichten können, ohne der gut erzählten Geschichte Abbruch zu
tun.
Dies alles aber sind eher Nebensächlichkeiten und führen nicht zu einem
Abbruch der Spannung im Blick auf ein solch hochaktuelles Thema.
Mehrfach bereits konnte in den Nachrichten verfolgt werden, dass die weit
verbreitete Neigung zur anonymen Hetzt im Internet teils gravierende Folgen bis
zum Suizid auf Menschen hatte. Auch diese Frage der Legitimität freier
Meinungsäußerung, eine der Hauptstreitfragen zwischen den beteiligten Personen
im Buch, ist eine grundsätzliche und wesentliche Frage, die Jeffery Deaver
aufgreift und in deren schwieriger Beantwortung er den Leser mit hineinnimmt.
Fazit
Ein aktuelles Thema, garniert mit einer logisch aufgebauten, spannenden
Geschichte, die bis zum Ende den Leser im Unklaren über den oder die
eigentlichen Täter lässt. Auf dem Weg der Klärung des Falles aber werden
einige aktuelle und wichtige Themenbereiche und Fragen aufgeworfen im Blick auf
die Grenzen zwischen virtuellem und echtem Leben aufgeworfen. Themenbereiche, in
denen es Deaver versteht, auf beste Weise unterhaltsam wie nebenbei grundlegend
zu informieren.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 10. Juli 2010 2010-07-10 15:03:48