Verfolgung und Rache
Tom Byrne, Anwalt, hatte einmal hohe Ideale.
Als Jurist in Diensten der Vereinten Nationen hat er zu seiner Zeit für wenig
Geld viele Probleme gelöst, nichts war ihm zu viel. Das war einmal.
Mittlerweile ist er erfolgreicher privater Anwalt, wie der Leser zu Beginn
erfährt auch für die "ehrenwerte Familie". Ein Klientel, das er
früher bekämpft hätte.
Was hat zu dieser Entwicklung geführt?
Der Hintergrund der Entwicklung der gar nicht so strahlenden Hauptfigur des
neuen Thrillers von Sam Bourne wird natürlich im Verlauf der Geschichte
aufgedeckt. Eine Geschichte, die ihren Beginn auf dem Platz vor dem UN
Hauptquartier in New York findet. Ein Wachmann erschießt einen vermeintlichen
Selbstmordattentäter, die Waffen der Polizei sitzen locker im New York der
Gegenwart nach all den versuchten und zum Teil erfolgreichen Anschlägen im
letzten Jahrzehnt.
Doch auf den ersten Blick ein furchtbarer Irrtum, der getötet ist ein alter,
gehbehinderter Mann, ein einfacher Tourist? Tom Byrne erhält den Auftrag, den
vermeintlich schrecklichen Unfall diskret unter der Decke zu halten und der
Tochter des Getöteten für ihr Schweigen ein Angebot zu unterbreiten (eine
sattsam bekannte Praxis großer Institutionen im Umgang mit Krisen und
Affären).
Doch nichts ist wirklich, wie es scheint und Tom Byrne beginnt, das Puzzle
Stück für Stück zu entwirren.
Durchaus spannend ist diese Entwirrung der tatsächlichen Hintergründe. Kaum
eine der handelnden Figuren ist letztlich das, was sie vordergründig zu sein
scheint. Weit reichen die Wurzen der Ereignisse auf dem Platz der UN zurück in
die Vergangenheit und auch dieses Ereignis ist letztlich nur ein Teil des
größeren Bildes. Eines Bildes, in dem die Folgen des Antisemitismus über
Jahrzehnte hinweg aktuell bleiben.
Eine Geschichte, die, fast nebenbei, mit einer Reihe umfassend recherchierter
historischer Fakten zum Thema des Judenhasses in Europa aufwartet.
Ähnlich wie bei manchen Romanen von Robert Harris (Vaterland) wird so deutlich,
dass vordergründig überholt geglaubte Ressentiments und Grausamkeiten auch
heute noch aktuell vorliegen, nur eben ein gutes Stück weit unter die sichtbare
Oberfläche der Gesellschaft gerutscht sind.
Sam Bourne schreibt lebendig und versteht es, den Leser mit hinein zu nehmen in
die Geschichte. Wohltuend verzichtet er darauf, seine Hauptperson Tom Byrne zu
einem reinen zu stilisieren, auch hier liegen Wunden der Vergangenheit vor. In
gleicher Weise entwickelt sich auch der romantische Teil der nicht reibungslos.
Fazit
Ein fließendes Leseerlebnis, dessen Hintergrund gründlich recherchiert wurde.
Hier und da verflacht die Spannung ein wenig, aber das ist für den
Gesamteindruck durchaus nicht entscheidend.
Vorgeschlagen von Lesefreund
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veröffentlicht am 21. Mai 2010 2010-05-21 13:43:09