Henry Neff, ein junger Mann Anfang Zwanzig und in seiner Art ein Aussteiger aus
dem System, hat den Platz in seinem Leben, an dem zwei er sich wohlfühlt. Er
arbeitet im Fundbüro am Hauptbahnhof. Zwar hatte auch er sich anfangs gefragt,
was das wohl für ein Arbeitsplatz wäre, auf den er sich beworben hatte und den
er anstrebte. Aber dann stellt er fest, dass es Spaß macht und befriedigen
kann, sich mit all den verlorenen Gegenständen und mit den damit verbundenen
Lebensgeschichten ihrer Verlierer zu befassen. Dabei trifft er auf so
sympathische Leute, dass er manchmal in seine eigene Tasche greift, um die für
die Herausgabe fälligen Gebühren zu zahlen. In Gesprächen mit Kollegen,
Verwandten und Bekannten lässt er unmissverständlich anklingen, dass er nicht
daran interessiert ist, das Spiel von der Karriereleiter mitzuspielen. Selbst
sein Chef geht anfangs davon aus, dass Henry nur ein durchlaufender Mitarbeiter
wäre. Henry jedoch beweist das Gegenteil.
Doch eine heile Welt, wie Henry sie sich wünscht, sind auch der Arbeitsplatz im
Fundbüro und der Kiez, in dem er lebt, nicht. Irgendwann muss er erkennen, dass
er sich nicht immer nur heraushalten und von den netten Geschichten im Fundbüro
leben kann.
Eine ruhige und einfühlsame Geschichte, wie von Siegfried Lenz nicht anders zu
erwarten. Ein filigranes Wortspiel, wenn vom interessanten Leben der
"Verlierer" gesprochen wird, mit einer Doppeldeutigkeit, wie sie
selten zu finden ist und die dadurch eine Art von Humor an den Leser vermittelt,
auf die er sich zurückgelehnt einlassen kann. Das Fundbüro als Mikrokosmos der
heilen Welt, die doch so leicht von außen bedroht werden kann. Beim
Dahingleiten im Text mit seinem beruhigenden Schreibstil hatte ich das Gefühl,
dass die Geschichte wie Öl die Speiseröhre hinunter läuft. Vielleicht liegt
es auch daran, dass die Menschen im Buch soviel Gemeinsames mit den Menschen in
meinem Bekanntenkreis haben, dass es nicht um Helden und Antihelden geht,
sondern um "Normalos" in der heutigen Gesellschaft.
Fazit
Ein schnell zu lesendes Buch mit einem ironischen Blick auf die heutige
Gesellschaft, welches für jede Stimmungslage empfohlen werden kann.
Vorgeschlagen von Detlef Knut
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veröffentlicht am 20. Mai 2010 2010-05-20 23:54:28