Auch der Leser bleibt kleben
Georgie, eine ehemals erfolgreiche Journalistin, ist eine erfolglose
Romanautorin und verdient ihren Lebensunterhalt mit der Arbeit an einem
Klebstoffmagazin. Warum ausgerechnet Klebstoff? Weil er eine phantastische
Metapher abgibt für die verschiedensten Strukturen in diesem Buch:
Schicksale der unterschiedlichsten Personen geraten aneinander und kleben fest,
wie Georgie und ihre seltsame Nachbarin, Mrs. Shapiro, wie der Handwerker und
eigentliche Ingenieur Mr. Ali, wie die Kollegen aus der Klebstoffbranche,
betrügerische Sozialarbeiter und Makler, geizige Schnäppchenjäger und nicht
zuletzt die Familie. Wie beim Klebstoff ist es schwierig, das, was einmal
zusammengeklebt wurde, wieder ohne Verletzungen zu trennen.
Die Handlungsstränge sind sehr vielschichtig und komplex, so dass es schwer
fällt, eine knappe Inhaltsangabe zu verfassen. Hier ein Versuch:
Georgie hat gerade ihren besserwisserischen Ehemann vor die Türe gesetzt und
all seine Habe in einem Müllcontainer deponiert. Dort trifft sie Mrs. Shapiro,
die gerade Schallplatten und Bücher einsammelt und die Leute, die so etwas
abgeben als Barbaren beschimpft. Einige Zeit später kommt es zu einem weiteren
Zusammentreffen mit der Nachbarin, als diese im Lebensmittelmarkt mit unsauberen
Methoden um heruntergesetzte Waren kämpft. Diese Begegnungen reichen Mrs.
Shapiro, um Georgie als nächste Angehörige anzugeben, als sie wegen eines
Handbruches ins Krankenhaus kommt. Pflichtbewußt kümmert sie sich. Dann
entdeckt sie, dass eine Sozialarbeiterin gemeinsame Sache mit einem Makler ztu
machen scheint mit dem Ziel, ihre Nachbarin zu betrügen. Das lässt ihr
Gerechtigkeitssinn nicht zu und sie wird immer weiter in die Angelegenheit
verstrickt.
In der weiteren Handlung kommen weitere Personen hinzu, so der Handwerker Mr.
Ali und seine Neffen. Er und auch Mrs. Shapiro haben eine Geschichte, die nach
und nach zu Tage tritt. Dann gibt es noch Georgies pubertierenden Sohn Ben, der
fest an den in der Bibel prophezeiten Weltuntergang glaubt.
Fazit
Das ist eines der besten Bücher, die ich in der letzten Zeit gelesen habe!!
Einmal, weil es so vielschichtig ist. Man kann es als eine Geschichte mehrerer
skuriller Typen lesen, die per Zufall aufeinandertreffen. Wenn man tiefer geht,
hat es eine politische Aussage, denn der Konflikt zwischen Juden und
Palästinensern wird aus den verschiedenen Blickwinkeln dargestellt. Es ist auch
ein humorvolles Buch. Eine Stelle hat mir besonders gut gefallen: Als Mr. Ali es
nach vielen Mühen geschafft hat, ein Schloss auszutauschen ohne die Türe zu
beschädigen und dann sagt: "Immer besser....zuerst gewaltfreie Lösung
probieren". Es ist auch ein tolerantes Buch, denn der Leser versteht all
die verschiedenen Menschen und ihre Positionen, weil die Beweggründe so gut
dargestellt werden. Das sind nicht nur Juden und Palästinenser, das sind auch
reiche Leute wie Georgies Schwiegereltern und Leute der Arbeiterklasse wie
Georgies Eltern. Dann sind es alte Leute wie Mrs. Shapiro und junge Leute wie
Ben. Es gibt auch gute Sozialarbeiter, die nie Zeit haben und andere, die
versuchen aus der schlechten Arbeit einen Gewinn zu erzielen. Und all diese
verschiedenen Menschen kleben irgendwie zusammen.
Nicht zuletzt zeigt diese Buch ein wirklich gutes Abbild der englischen
Gesellschaft mit dem Sozialgefälle und den vielen Einwanderern. Bemerkenswert
finde ich auch die geschliffene und vielfach doppeldeutige Sprache, die trotz
der Übersetzung ins deutsche nichts verloren zu haben scheint. Hierfür hat
sich die sehr sorgfältige Übersetzerin ein Lob verdient!
Vorgeschlagen von Heike Heard
[Profil]
veröffentlicht am 09. Mai 2010 2010-05-09 19:10:51