Das kleine Zebra ist ein typisches Stadtkind; es wächst zwischen mehrstöckigen
Häusern und städtischem Straßenverkehr auf. Hier fahren Zebras Kleinwagen und
gehen ins Kino "Cinema", um sich den neuesten Tierfilm anzusehen. Auf
dem Kinoplakat entdeckt unser Zebrakind ein Tier, das ihm sehr ähnlich sieht -
es hat ein rötliches Fell und keine Streifen. Ein Pferd, erklären die
erwachsenen Zebras und zeigen kaum Interesse, dem Zebranachwuchs zu erläutern,
warum es Pferde und Zebras gibt. Das kleine Zebra wird sich erst jetzt bewusst,
dass es Streifen hat. In seinem Zebra-Kinderzimmer gibt es gestreifte Möbel,
ein gestreiftes Kinderrad und viele Bilder von Zebras. Habe ich nun weiße
Streifen auf einem schwarzen Fell oder schwarze Streifen auf einem weißen Fell?
fragt sich das kleine Zebra. Makellos weiß oder völlig schwarz zu sein,
könnte ihm sogar besser gefallen. Die Streifenfrage verfolgt das Zebra bis in
seine Träume. Streifen verwandeln sich in der Nacht in Phantasiewesen, die
schlimme Dinge tun. Am nächsten Morgen ist das kleine Zebra so erschöpft, dass
die anderen Zebras sich allmählich sorgen, ob es wohl krank sein könnte.
Besorgte Blicke erwachsener Zebras auf ein übernächtigtes Junges zeigen, dass
das nachdenkliche Zebrakind nicht allein ist. Am liebsten wäre das Zebrakind
seine Streifen endgültig los. Doch wie sollen andere Zebras ihren Artgenossen
erkennen können, wenn er ein simples weißes oder schwarzes Fell hätte?
Die Entdeckung, dass es noch andere Tiere außer Zebras gibt, löst beim
Zebrakind eine Reihe von Fragen danach aus, wer es ist, wohin es gehört und wer
die anderen sind. Zebras Reise in die Phantasiewelt beginnt in einem Wäldchen
und lässt den Betrachter ahnen, welchen Nutzen ein Tier von seinem gestreiftem
Fell zwischen eng stehenden, dünnen Baumstämmen haben könnte. Unser Zebrakind
muss erst noch selbst herausfinden, warum es gut ist, ein Zebra zu sein. Sein
Wunsch, einmal ganz anders zu sein als andere, ist ungebrochen. Anders als in
der Szene vor dem Kino, in der besonders modebewusste Zebras gelbe Kappen
tragen, bricht nun der Individualismus im Huftier-Reich hervor. Zebras tragen
Turban, Zylinder oder eine Kochmütze, sie radeln, lümmeln, lesen, sind mit
Aktentaschen oder Koffern unterwegs.
Fazit
Der Illustrator Jörg Obrist, der ausgebildeter Retuscheur und Fotograf ist,
führt uns mit listigem Augenzwinkern in die menschelnde Welt einer
großstädtischen Zebragruppe. Harte Schwarz-Weiß-Kontraste heben sich in
seinen Illustrationen von idyllischen Waldszenen und nüchternen Häuserfronten
in Kollagentechnik ab. Die Rückkehr des kleinen Zebras zu seinen
Spielgefährten in die Geborgenheit des heimischen Hof führt Max Huwylers
phantastische Geschichte zu einem versöhnlichen Schluss. Empfohlen ab 5 Jahren
Vorgeschlagen von Helga Buss
[Profil]
veröffentlicht am 06. März 2010 2010-03-06 09:08:38