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Deborah Ellis, Eric Walters: Ansichtssache

Ansichtssache

von Deborah Ellis, Eric Walters
Verlag: Jungbrunnen [mehr Bücher von diesem Verlag zeigen]
Sparte: Jugendroman
ISBN-13 978-3-7026-5809-0

Preis: 12,99 Euro bei Amazon.de [Stand: 21. November 2024]
Ich fand dieses Buch von der Thematik her sehr interessant: ein muslimischer Schüler wird an einer kanadischen High-School verhaftet. Er soll an einem Bombenattentat beteiligt gewesen sein. Dieses Ereignis schlägt hohe Wellen und lässt auch die beiden Protagonisten des Romans nicht kalt: den 16-jährigen Haroon, der aus einer Migrantenfamilie stammt und der - weil er auch Muslim ist, von der Polizei verhört und verdächtigt wird, von dem Anschlag gewusst zu haben - und Jay, der aus einer kanadischen bürgerlichen Familie stammt und dem - ehrgeizigen - Footballteam der Schule angehört. Beide werden fast wider Willen gezwungen, "Farbe" zu bekennen. Kevin, der Anführer der Fußballer, entwickelt schnell ein gefährliches Schwarz-Weiß-Denken und seine Vorurteile gegenüber Muslimen fördern seine Bereitschaft, in Feindbildern zu denken und Differenzierungen nicht mehr wahrzunehmen. Haroon, der auf der anderen Seite die immer feindseligere Atmosphäre wahrnimmt, gerät zwischen die Fronten: auf der einen Seite verlangt seine Schwester, die nun demonstrativ einen Schleier trägt, Zeichen der Solidarität auch von ihrem eher introvertierten Bruder mit den in die Defensive geratenen Muslimen; auf der anderen Seite stellt er fest, dass sich das Footballteam unter dem Einfluss Kevins immer feindseliger gegenüber den Migranten verhält, obwohl er, Haroon, ihnen nichts getan hat. Als Kevin seine Gruppe zu einer gefährlichen Aktion, einem üblen Streich, anstiftet, müssen beide, Jay und Haroon, "Farbe" bekennen und entscheiden sich für ein Zeichen der Annäherung und Versöhnung.

Je ein Kapitel erzählt Jay aus seiner, ein anderes Haroon aus der anderen Perspektive. Langsam werden wir Zeuge, wie die Ereignisse an Fahrt gewinnen und wir fiebern richtig mit.

Leider hat mich das Werk der beiden bekannten und preisgekrönten kanadischen Autoren dennoch nicht überzeugen können. Zum einen habe ich das Gefühl, die Handlung werde zu abrupt beendet. Als wenn die Autoren eine Seitenobergrenze - das Buch hat 210 Seiten - gesetzt bekommen hätten und nun die Proportionen nicht mehr stimmten. Warum sich beide Seiten zur Annäherung entschließen - obwohl sich Jay und Haroon am Anfang gar nicht kennen und nur flüchtig sich auf der gleichen Schule begegnet sind - wird nicht deutlich. Jay hat nach der Aktion, die Kevin startet und bei der er - um nicht aus seiner Gruppe ausgeschlossen zu sein, mitmacht, zwar ein schlechtes Gewissen. Dennoch hätte ich ein stärkeres Ringen erwartet. Sein Entschluss, sich Haroon anzuvertrauen, wird nur kurz dargestellt - ganze 8 Seiten werden für diesen Vorgang am Ende aufgewendet. Warum begegnet Haroon Jay so verständnisvoll, nachdem sich der Streich gegen Haroon und seine Familie richtete? Wir erfahren zwar, dass Jay nicht wußte, dass Haroon dort wohnte (das Haus der Familie wird mit Eiern beworfen und eine Fensterscheibe mit einem Blumentopf eingeworfen). Aber Haroon wirkt auf mich zu verständnisvoll; Jays Entschluss, sich Haroon anzuvertrauen, kommt ebenfalls zu kurz.

Eine wirkliche Entwicklung, einen Lernprozess, kann ich nicht erkennen, dies geht mir zu schnell.

Dies ist der eine Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe. Der zweite ist, dass mir die Charaktere nicht lebensecht erscheinen. Zu offensichtlich wird für mich, dass es sich um Fantasieprodukte der Autoren handelt. Die beiden Autoren "wollen" ein solches versöhnliches Ende. Die Botschaft, dass es sich lohnt, gegen Feindbilder anzukämpfen und differenziert die Welt wahrzunehmen und nicht in schwarz-weiß-Klischées (und auch Feindbilder) zu verfallen, ist sicher lobenswert. Der pädagogische Zeigefinger ist mir aber zu penetrant. Dies sind Kunstfiguren bzw. "Kunstgedanken" - ob sich Jugendliche in der "rauhen" Wirklichkeit, im Leben, auch so verhalten würden? Diese Frage habe ich mir gestellt. Warum dieses abrupte Ende? Warum keine gedankliche Entwicklung? Weil den Autoren gesagt wurde, dass Jugendliche heutzutage nicht mehr als 200 Seiten lesen (was ja nicht stimmt, wenn ihnen der Stoff gefällt). 100 Seiten mehr und andere "Proportionen": dann hätte mich das Buch überzeugt.
Fazit
So ist es ein netter Versuch, die Botschaft, auch nach dem 11. September 2001 nicht in Feindbilder zu verfallen und die jeweils andere Kultur zu achten, herüberzubringen. Aber leider ist die Absicht zu offensichtlich - auf Kosten der "Lebensechtheit" bzw. der Authentizität der Figuren - und daher kann ich leider nicht sagen, dass ich das Buch wirklich überzeugend und rundherum gelungen finde. Durchschnitt ja - mehr nicht.
6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne6 Sterne

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Vorgeschlagen von Bernhard Nowak [Profil]
veröffentlicht am 02. März 2010

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