Ich fand dieses Buch von der Thematik her sehr interessant: ein muslimischer
Schüler wird an einer kanadischen High-School verhaftet. Er soll an einem
Bombenattentat beteiligt gewesen sein. Dieses Ereignis schlägt hohe Wellen und
lässt auch die beiden Protagonisten des Romans nicht kalt: den 16-jährigen
Haroon, der aus einer Migrantenfamilie stammt und der - weil er auch Muslim ist,
von der Polizei verhört und verdächtigt wird, von dem Anschlag gewusst zu
haben - und Jay, der aus einer kanadischen bürgerlichen Familie stammt und dem
- ehrgeizigen - Footballteam der Schule angehört. Beide werden fast wider
Willen gezwungen, "Farbe" zu bekennen. Kevin, der Anführer der
Fußballer, entwickelt schnell ein gefährliches Schwarz-Weiß-Denken und seine
Vorurteile gegenüber Muslimen fördern seine Bereitschaft, in Feindbildern zu
denken und Differenzierungen nicht mehr wahrzunehmen. Haroon, der auf der
anderen Seite die immer feindseligere Atmosphäre wahrnimmt, gerät zwischen die
Fronten: auf der einen Seite verlangt seine Schwester, die nun demonstrativ
einen Schleier trägt, Zeichen der Solidarität auch von ihrem eher
introvertierten Bruder mit den in die Defensive geratenen Muslimen; auf der
anderen Seite stellt er fest, dass sich das Footballteam unter dem Einfluss
Kevins immer feindseliger gegenüber den Migranten verhält, obwohl er, Haroon,
ihnen nichts getan hat. Als Kevin seine Gruppe zu einer gefährlichen Aktion,
einem üblen Streich, anstiftet, müssen beide, Jay und Haroon,
"Farbe" bekennen und entscheiden sich für ein Zeichen der Annäherung
und Versöhnung.
Je ein Kapitel erzählt Jay aus seiner, ein anderes Haroon aus der anderen
Perspektive. Langsam werden wir Zeuge, wie die Ereignisse an Fahrt gewinnen und
wir fiebern richtig mit.
Leider hat mich das Werk der beiden bekannten und preisgekrönten kanadischen
Autoren dennoch nicht überzeugen können. Zum einen habe ich das Gefühl, die
Handlung werde zu abrupt beendet. Als wenn die Autoren eine Seitenobergrenze -
das Buch hat 210 Seiten - gesetzt bekommen hätten und nun die Proportionen
nicht mehr stimmten. Warum sich beide Seiten zur Annäherung entschließen -
obwohl sich Jay und Haroon am Anfang gar nicht kennen und nur flüchtig sich auf
der gleichen Schule begegnet sind - wird nicht deutlich. Jay hat nach der
Aktion, die Kevin startet und bei der er - um nicht aus seiner Gruppe
ausgeschlossen zu sein, mitmacht, zwar ein schlechtes Gewissen. Dennoch hätte
ich ein stärkeres Ringen erwartet. Sein Entschluss, sich Haroon anzuvertrauen,
wird nur kurz dargestellt - ganze 8 Seiten werden für diesen Vorgang am Ende
aufgewendet. Warum begegnet Haroon Jay so verständnisvoll, nachdem sich der
Streich gegen Haroon und seine Familie richtete? Wir erfahren zwar, dass Jay
nicht wußte, dass Haroon dort wohnte (das Haus der Familie wird mit Eiern
beworfen und eine Fensterscheibe mit einem Blumentopf eingeworfen). Aber Haroon
wirkt auf mich zu verständnisvoll; Jays Entschluss, sich Haroon anzuvertrauen,
kommt ebenfalls zu kurz.
Eine wirkliche Entwicklung, einen Lernprozess, kann ich nicht erkennen, dies
geht mir zu schnell.
Dies ist der eine Kritikpunkt, den ich an dem Buch habe. Der zweite ist, dass
mir die Charaktere nicht lebensecht erscheinen. Zu offensichtlich wird für
mich, dass es sich um Fantasieprodukte der Autoren handelt. Die beiden Autoren
"wollen" ein solches versöhnliches Ende. Die Botschaft, dass es sich
lohnt, gegen Feindbilder anzukämpfen und differenziert die Welt wahrzunehmen
und nicht in schwarz-weiß-Klischées (und auch Feindbilder) zu verfallen, ist
sicher lobenswert. Der pädagogische Zeigefinger ist mir aber zu penetrant. Dies
sind Kunstfiguren bzw. "Kunstgedanken" - ob sich Jugendliche in der
"rauhen" Wirklichkeit, im Leben, auch so verhalten würden? Diese
Frage habe ich mir gestellt. Warum dieses abrupte Ende? Warum keine gedankliche
Entwicklung? Weil den Autoren gesagt wurde, dass Jugendliche heutzutage nicht
mehr als 200 Seiten lesen (was ja nicht stimmt, wenn ihnen der Stoff gefällt).
100 Seiten mehr und andere "Proportionen": dann hätte mich das Buch
überzeugt.
Fazit
So ist es ein netter Versuch, die Botschaft, auch nach dem 11. September 2001
nicht in Feindbilder zu verfallen und die jeweils andere Kultur zu achten,
herüberzubringen. Aber leider ist die Absicht zu offensichtlich - auf Kosten
der "Lebensechtheit" bzw. der Authentizität der Figuren - und daher
kann ich leider nicht sagen, dass ich das Buch wirklich überzeugend und
rundherum gelungen finde. Durchschnitt ja - mehr nicht.
Vorgeschlagen von Bernhard Nowak
[Profil]
veröffentlicht am 02. März 2010 2010-03-02 21:55:45